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Evolution und Schöpfung in der Schule


In den aktuellen Auseinandersetzungen um Evolution, Schöpfung und „Intelligent Design“ wird häufig die Befürchtung geäußert, Evolutionskritiker wollten die Evolutionstheorie aus dem Biologieunterricht entfernen, oder, falls das nicht möglich ist, die Schöpfungslehre oder „Intelligent Design“ mit juristischen Mitteln wenigstens gleichberechtigt zur Evolutionslehre in den Naturkundeunterricht zwingen. Solche Bestrebungen werden von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen nicht verfolgt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Gerichtsverfahren in den USA und der Berichterstattung darüber wird nachfolgend die Position der Studiengemeinschaft Wort und Wissen zum Thema „Evolution und Schöpfung in der Schule“ dargestellt.

Zusammenfassung: Die Evolutionstheorie wird von der überwältigenden Mehrheit der Biologen befürwortet; deshalb hat sie in einem demokratischen Gemeinwesen ihren Platz im Biologieunterricht der öffentlichen Schulen. Allerdings fordert die Studiengemeinschaft Wort und Wissen, dass der Evolutionstheorie widersprechende Befunde angemessen unterrichtet werden und dass die Evolutionstheorie nicht als alleinige Deutungsmöglichkeit biologischer Daten in Ursprungsfragen präsentiert wird. Grenzen naturwissenschaftlicher Forschung müssen deutlich kenntlich gemacht werden; eine umfassende Deutung in einem naturalistischen Rahmen soll ebenso als Grenzüberschreitung über den naturwissenschaftlich begründbaren Bereich hinaus gekennzeichnet werden wie eine Deutung im Rahmen einer Schöpfungslehre. Theologische Aspekte von Schöpfungslehren sind Gegenstand des Religionsunterrichts. Eine Verhältnisbestimmung von Naturwissenschaft, Evolution und Schöpfung ist Aufgabe eines Fächer übergreifenden Unterrichts.

Inhalt

1. Die Evolutionstheorie im Biologiecurriculum beruht auf der demokratischen Mehrheitsentscheidung der Biologen.

In einer demokratischen Gesellschaft ist Bestandteil des Lehrplanes öffentlicher Schulen, was von der Mehrheit der Wissenschaftler als Stand der Wissenschaft akzeptiert wird. Die Evolutionstheorie wird von der überwältigenden Mehrheit der Biologen als einigende Deutung der Biologie vertreten und ist deshalb Bestandteil des Biologieunterrichts. Dies respektiert die Studiengmeinschaft Wort und Wissen, auch wenn sie inhaltlich die biblische Schöpfungslehre vertritt. Andernfalls könnte jede beliebige weltanschauliche Strömung einfordern, dass auch für ihre Weltsicht im Unterricht Raum geschaffen wird. Schüler sollten die Aussagen der Evolutionstheorie verstanden haben, um sich mit ihnen kritisch auseinandersetzen zu können (s. 2. und 3.). Berührungspunkte zwischen Naturwissenschaft und Theologie (Schöpfungsglaube) können im Biologieunterricht natürlich angesprochen werden; die inhaltliche Ausgestaltung einer Verhältnisbestimmung ist aber eine Fächer übergreifende Aufgabe (s. 5.).

2. Naturwissenschaftliche Kritik an Evolution gehört ebenfalls in den Biologieunterricht.

Die Studiengemeinschaft setzt sich dafür ein, dass naturwissenschaftliche Kritik an der Evolutionslehre angemessen thematisiert wird. Diese Kritik findet sich reichlich in der Fachliteratur und sollte in Schulbüchern und Lehrplänen nicht tabuisiert werden, was u. E. leider geschieht. Es ist möglich und wissenschaftlich gesehen notwendig, die Indizien für eine Gesamtevolution der Lebewesen immer wieder kritisch zu diskutieren. Dabei sollte deutlich werden, dass die Gesamtevolution des Lebens nicht als naturwissenschaftlich bewiesene Tatsache gelten kann. Das Buch „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ bietet für diesen Diskurs eine solide fachliche Basis (s. 7.). Das gelegentlich vorgebrachte Argument, Schülern könne man Kontroversen nicht zumuten, ist nicht stichhaltig. Im Gegenteil gilt, dass einseitige Denkansätze der Erziehung zu selbständigem, kritischem Denken abträglich sind. Der schulische Unterricht sollte eine Kultur des Diskurses sowie des toleranten Umgangs der Schüler mit unterschiedlichen Positionen fördern. Dafür eignet sich die Kontroverse um Schöpfung und Evolution in besonderem Maße.

3. Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie gehören in den naturwissenschaftlichen Unterricht.

Die Studiengemeinschaft setzt sich dafür ein, dass im Biologieunterricht die Grenzen der naturwissenschaftlichen Methode, auch im Hinblick auf Evolution, weltanschaulich neutral aufgezeigt werden. Zu diesen Grenzen gehört insbesondere, dass die Naturwissenschaften die Ursprungsfrage nicht endgültig beantworten, sondern dafür nur indirekte Anhaltspunkte liefern können. Die Evolutionstheorie kann nie mehr als ein – bestenfalls gut begründetes – Denkmodell sein. Dieser Sachverhalt ist in der säkularen Wissenschaftstheorie allgemein anerkannt. Quasi-religiöse, naturalistische Absolutheitsaussagen zur „Wahrheit der Evolution“ müssen im Biologieunterricht kritisch hinterfragt werden. Die Darstellung der Evolutionslehre als einzig mögliche, allumfassende naturalistische Deutung der Herkunft des Lebens kann nicht verbindlicher Inhalt des Naturkundeunterrichts sein, sondern muss als Grenzüberschreitung über den Bereich des naturwissenschaftlich Begründbaren hinaus gekennzeichnet werden. Sowohl im Biologie- als auch im Religionsunterricht sollte Evolution im Sinn einer allgemeinen Abstammung aller Lebewesen (Makroevolution) nicht expressis verbis als naturwissenschaftliche Tatsache gelehrt, sondern als weltanschauliche, auf unbeweisbaren Annahmen beruhende Gesamtdeutung dargestellt werden.

4. Die biblische Schöpfungslehre als Gesamtschau gehört nicht in den Biologieunterricht, sondern in den Religionsunterricht; abgeleitete wissenschaftlich prüfbare Teilaussagen von Schöpfungslehren sollten mit Schülern im Biologieunterricht jedoch diskutiert werden können.

Die biblische Schöpfungslehre kann wegen ihrer wesensbestimmenden inhaltlichen Verknüpfung von theologischen Bezügen (Gott, Schöpfer, Wunder) mit natürlichen Gegebenheiten (z.B. Lebewesen) nicht durch einen methodisch an der Empirie orientierten Biologieunterricht vermittelt werden. Denn wie im Falle des weltanschaulichen Naturalismus wird durch die biblische Schöpfungslehre in ihrer Gesamtschau die Grenze der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten überschritten.

Kritik an der Evolutionslehre (vgl. 2. und 3.) wirft unweigerlich das Problem von Alternativerklärungen auf. Daher ist es auch eine Aufgabe des Biologieunterrichtes, darüber zu diskutieren, ob unter Berücksichtigung aller wissenschaftlichen Tatsachen andere Ursprungsmodelle neben der nauralistischen Evolutionsanschauung entworfen und wissenschaftlich begründet und geprüft werden können. Schöpfungslehren in ihrer Gesamtschau und mit ihren theologischen Inhalten sind und bleiben Thema des Religions- und / oder Ethikunterrichts.

Eine Verhältnisbestimmung von Schöpfung, Naturwissenschaft und Evolution bietet sich darüber hinaus für einen Fächer übergreifenden Unterricht an (s. 5.).

5. Fächer übergreifende Verhältnisbestimmung von Evolution und Schöpfung

Vor dem Hintergrund der methodisch bedingten Begrenztheit naturwissenschaftlicher Erkenntnis (und menschlicher Erkenntnis im Allgemeinen) ist es naheliegend, auf den Schöpfungsglauben als eine Möglichkeit zu verweisen, die naturkundlichen Daten in einem alternativen Ursprungs-Zusammenhang zu deuten, so wie die naturkundlichen Daten auch in einem naturalistischen (atheistischen) Rahmen interpretiert werden können. Das aber ist in jedem Fall eine zu markierende Grenzüberschreitung und schulisch gesehen eine Fächer übergreifende Aufgabe. Die Zusammenarbeit von Biologie- und Religionslehrern ist angesichts der Bedeutung dieser Frage für die Sinnfindung des Menschen von größter Bedeutung. Dabei wird es es dem Schüler ermöglicht, seine eigene persönliche Antwort zu finden.

6. Juristische Mittel zur Durchsetzung von Unterrichtsinhalten sind unangemessen.

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen hält es nicht für angebracht, juristische Schritte einzuleiten, um vom Staat den Unterricht alternativer Schöpfungslehren im Fach Biologie einzufordern oder gar den Unterricht der Evolutionslehre zu verbieten. Wie unter 1. dargelegt, wäre ein solches Vorgehen einer demokratischen Gesellschaft auch dann nicht angemessen, wenn man einen notwendigen Minderheitenschutz berücksichtigt. Juristische Schritte werden auch nicht zur Durchsetzung des Intelligent Design-Ansatzes in Betracht gezogen. Die Studiengemeinschaft spricht sich dafür aus, die Konkurrenz wissenschaftlicher Lehren auf der Basis wissenschaftlicher und wissenschaftstheoretischer Argumente auszutragen.

7. Zum evolutionskritischen Lehrbuch von R. Junker & S. Scherer

In diesem Lehrbuch wurden sachlich begründete, naturwissenschaftliche Einwände gegen die Evolutionslehre von zehn Naturwissenschaftlern zusammengestellt. Die umfassende und würdigende Darstellung der evolutionären Position ist wichtiger Teil des Werkes. Weltanschauliche Deutungen sind optisch auffallend als Grenzüberschreitung gekennzeichnet. Solche Abschnitte sind für eine fachübergreifende Behandlung zwischen Religions- und Biologieunterricht gedacht.

Der Vorläufer des o.g. Buches wurde 1986 unter dem Titel „Entstehung und Geschichte der Lebewesen“ veröffentlicht. Der Weyel-Verlag (Gießen) hat vor 19 Jahren mit dem Einverständnis der Autoren einen Antrag auf Zulassung dieses Werkes als Schulbuch für den Biologieunterricht in Bayern und in Baden-Württemberg gestellt. Diese Anträge wurden abgelehnt, da die Inhalte des Buches nicht dem Lehrplan entsprechen.

Für das Werk „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ wurde in keinem Bundesland ein Antrag auf Anerkennung als offizielles Lehrmittel gestellt. Weder Verlag noch Autoren beabsichtigen derzeit, einen solchen Antrag zu stellen. Das Buch ist schon aufgrund seines Aufbaus nicht als Ersatz für ein offizielles Biologie-Schulbuch konzipiert. Es handelt sich um ein zusätzliches Informationsangebot für Lehrer und Schüler, die sich auch mit naturwissenschaftlichen, evolutionskritischen Argumenten oder alternativen Deutungen von biologischen Daten befassen wollen. Teile I-VI des Buches sind als Informationsangebot für den Biologieunterricht, Teil VII („Grenzüberschreitungen“) für einen Fächer übergreifenden Unterricht gedacht.