Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 13. Jg. Heft 2 - Oktober 2006
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Die Katzenartigen – ein klar abgegrenzter Grundtyp

von Nigel Crompton

Studium Integrale Journal
13. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2006
Seite 68 - 72


Zusammenfassung: Aufgrund von Kreuzungen war schon längere Zeit vermutet worden, daß es sich bei Katzen um einen Grundtyp handelt. Es gab aber bislang eine trennende Lücke zwischen den Groß- und den Kleinkatzen. Eine neue DNA-Analyse ordnete die Abstammungsgeschichte der

Katzen neu und hob diese Trennung auf. Zugleich wurden neue Kreuzungsdaten berichtet, die zusammen mit der genetischen Analyse und weiteren hier vorgestellten Daten deutlich für einen klar abgegrenzten Grundtyp „Katzenartige“ sprechen.




Katzen und ihre Einteilung
Abb. 1: Die Anatomie des Zungenbeinapparates einer Katze mit vollständiger Verknöcherung. Der Zungenbeinapparat verbindet den Kehlkopf (La) mit der Mittelohrkapsel (M) über eine Knochenkette von sieben „Knochen“, wobei der 5. Knochen das Zentrale Zungenbein darstellt. Der erste und siebte „Knochen“ des Zungenbeinapparates sind immer knorpelig und in dieser Skelett-Darstellung nicht eingezeichnet; Tr = Luftröhre. (Nach A. Dahm und Peters & Hast 1994)

Die Familie der Katzen gehört zu den Karnivoren, d.h. den Raubtieren. Andere karnivore Familien sind z.B. Hunde, Bären, Marder, Schleichkatzen, Seeelefanten und andere. Die Karnivoren sind im Naturhaushalt ein Regulativ, sie entfernen schwache und kranke Herbivoren (Pflanzenfresser) zum Vorteil von deren Populationen. Viele Karnivore können schnell laufen, besitzen Reißzähne zum Fangen und Töten der Beute und die charakteristischen schneidenden Backenzähne. Allesfresser allerdings, wie z.B. die Bären, zeigen diese Ausbildung der Backenzähne nicht.

Die Katzen bilden eine in sich geschlossene Tiergruppe, deren heutige Vertreter – insgesamt 38 Arten – auch vom Laien relativ sicher von anderen Tiergruppen unterschieden werden können. Sie haben einen geschmeidigen, muskulösen, kompakten tiefbrüstigen Körper. Zur diagnostischen Abgrenzung dienen u.a. die Zähne (Zahnformel 3/3, 1/1, 2-3/3, 1/1; siehe Abb. 1). Die Mittelohrkammern sind vergrößert, so daß sie mittig aneinanderstoßen. Sie sind durch ein zweischichtiges Septum getrennt (die Bergkatze, Leopardus jacobita, hat jedoch zwei getrennte Mittelohrkammern). Weiterhin ist die Mittelohrkammer verknöchert und wird daher auch als Mittelohrkapsel bezeichnet (Abb. 1). Die Zunge ist von vielen hornigen Papillen bedeckt, die nach hinten weisen. Katzen sind Zehengänger und sie haben vorne fünf und hinten vier Zehen. Die scharfen und stark gekrümmten Krallen sind gewöhnlich einziehbar und in einer fleischigen Scheide gut geschützt. Ausnahmen sind der Gepard (engl. Cheetah), der seine Krallen nicht einziehen kann, sowie die Fischkatze und Flachkopfkatze, die ihre Krallen nur teilweise einziehen können (Alderton 1993).

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Ein oder zwei Familiengeschichten?

Die ältesten katzenartigen Karnivoren, die Nimravidae (Ursäbelzahnkatzen), gehören zwei Linien an, die fossil im späten Eozän plötzlich in den Dschungeln von Nord-Amerika erschienen. Eine Linie, repräsentiert durch Hoplophoneus, war mit Säbelzähnen ausgestattet; die andere Linie, vertreten durch Dinictus, entsprach im Aussehen etwa einem heutigen Serval. Diese Fossilien sind derart katzenähnlich, daß sie als Urkatzen (Paleofelidae) benannt und als erste Katzen überhaupt bezeichnet wurden (MacDonald 1992). Die Gruppe der heutigen Katzen, die Felidae, enthält aber lediglich die modernen Katzen (Felinae), sowie die Neu-Säbelzahnkatzen (engl. „Neosabers“, Machairodontinae; Martin 1998b). Die Ursäbelzahnkatzen (Nimravidae) bleiben dabei außen vor, obwohl sie sich in ihren Skelettmerkmalen von den modernen Katzen (Felinae) nur wenig unterscheiden. Der markanteste Unterschied besteht darin, daß die Nimravidae keine knöcherne Wand (Septum) zwischen den Mittelohrkapseln haben. Manchmal ist auch überhaupt keine Mittelohrkammer fossilisiert, woraus geschlossen werden kann, daß diese Struktur aus Bindegewebe bestand (Turner & Anton 1997). Beispielsweise besaß die Ursäbelzahnkatze Barbourofelis, die zur gleichen Zeit wie die modernen Katzen (Felidae) lebte, eine verknöcherte Mittelohrkammer; jedoch gibt es keine Anzeichen für ein verknöchertes Septum (Martin 1998a). Solche morphogenetischen Unterschiede erfordern jedoch nur geringe mikroevolutive Veränderungen und sind daher ungenügend, um mit ihrer Hilfe diese zwei Gruppen in zwei getrennte Familien einzuordnen.

Die Hypothese zweier verschiedener Familien von Nimravidae und Felidae wird an sich weniger von den beobachteten Verknöcherungen gestützt, als von der Idee, daß die modernen Katzen (Felidae) von Proailurus aus dem Miozän der Alten Welt abstammen sollen (Martin 1998a). Proailurus war etwa 15cm lang und besaß einen schleichkatzen-ähnlichen Körper. Dieses Tier war jedoch vermutlich ein Sohlengänger, im Gegensatz zu den zehengängigen Katzen heute. In der ersten Beschreibung des Fossils wurde es in der Tat als Schleichkatze (Viverridae) klassifiziert (McDonald 1992, Crompton 1998). Problematisch ist, daß im Rahmen einer allgemeinen Abstammungslehre ein Katzenvorfahr „gebraucht“ wird: Proailurus füllt diese Lücke scheinbar aus. Die Zahnformel stimmt aber nicht mit der von den Katzen überein, Proailurus hat mehr Zähne, was aber wiederum als primitives Merkmal eines Vorfahren gewertet wird. Das Argument erscheint aber fraglich, da die Zahnfurchung in der Tat mehr einer Schleichkatze als der einer echten Katze ähnelt. Legt man dennoch diese fragliche Hypothese, daß der Katzenvorfahr Proailurus sei, zugrunde, dann können – entgegen dem, was die Fossilen zeigen(!) – neuweltliche Ursäbelzahnkatzen keine Katzen sein (denn Proailurus ist neuweltlich und wesentlich jünger – Miozän – als die altweltlichen Nimravidae aus dem Eozän) und sie wurden daher entweder in die Abstammungsgemeinschaft der hundeartigen Karnivoren plaziert (Flynn & Galiano 1982) oder gar komplett außerhalb der Karnivoren gestellt (Neff 1983). Eine neuere umfangreiche cladistische Analyse gliederte widerstrebend die Nimravidae als eigenständige Schwestergruppe zu den katzenartigen Raubtieren ein (Bryant 1991). Es ist leicht nachvollziehbar, wie vorgefaßte Ansichten hier die Entstehung der Zwei-Familien-Hypothese beeinflußt haben.

Ein ähnlich gelagerter Fall ist der frühere Versuch, die Kleinkatzen und die Großkatzen in getrennte Unterfamilien einzuordnen. Diese Unterscheidung basierte auf der Verknöcherung ihres Zungenbeins und der damit verbundenen Fähigkeit zu brüllen (Turner & Anton 1997). Generell besteht der Apparat des Zungenbeins aus zwei Ketten von je sieben „Knochen“, die am fünften Knochen („Zentrales Zungenbein“) miteinander verbunden sind. Dieser Apparat erstreckt sich von der Mittelohrkapsel zum Kehlkopf, unterstützt letzteren und verleiht der Stimme ihren charakteristischen Klang (siehe Abb. 1). Sowohl der erste als auch der siebte „Knochen“ des Zungenbeinapparates bestehen nur aus Knorpel und verbinden die Mittelohrkapsel auf der einen und den knorpeligen Kehlkopf auf der anderen Seite miteinander. Kleinkatzen können nicht brüllen, weil der der dritte Zungenbein-Knochen verknöchert ist. Bei den Großkatzen (= Pantherartige) ist dieser dritte Zungenbein-„Knochen“ knorpelig, dadurch sind sie zum tiefen Brüllen befähigt. Es gibt aber Ausnahmen, wie den Schneeleoparden. Trotz eines knorpeligen dritten „Knochens“ ist es ihm nicht möglich zu brüllen, denn ihm fehlen die zusätzlich dafür notwendigen Polster auf den Stimmbändern (Peters & Hast 1994). Von größerer taxonomischer Bedeutung als die tatsächliche Verknöcherung dieser Strukturen sind letztlich genetische Daten und Hybridisierungsstudien (s.u.), die zeigen, daß Kleinkatzen und Großkatzen zu derselben Unterfamilie, den Felinae gehören.

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Großräumige Lebensraumveränderungen als Auslöser für Radiation

Während des Tertiärs verursachte eine allmähliche Abkühlung und ein trocken werdendes Klima eine bedeutende Verschiebung in den dominierenden Organismengruppen (Biom-Verschiebung). Insbesondere während des Übergangs vom Eozän zum Oligozän wurden die subtropischen Regenwälder durch Wald-Savanne ersetzt (Wing 1998). Dieser mehr offene Landschaftstyp resultierte in einer adaptiven Radiation (Aufspaltung in neue Arten) der Pflanzenfresser wie z.B. Oreodontinae (meist kleinere, schweingroße Blattfresser), dreizehige Pferde (Anchitheres) und kleine Nashornartige (Janis et al. 1988). Da diese Pflanzenfresser die Grundnahrung für Ursäbelzahnkatzen (Nimravidae) waren, würde sich die Radiation der Ursäbelzahnkatzen dadurch erklären lassen.

Ähnlich wurden während des Übergangs vom Miozän zum Pliozän die Gras-Savannen durch z.T. reine Grasländer ersetzt (Wing 1998). Dieser völlig offene Landschaftstyp führte zur adaptiven Radiation von Pflanzenfresser-Gruppen, die zu einer schnellen Fortbewegung befähigt sind, wie Kamelartigen, Gabelantilopen (Antilocapridae) und heutigen Pferden. Entsprechend führte dieser erneute Biom-Wechsel zur Radiation der Felidae, sowohl der Säbelzahnkatzen (Neosabers) als auch der Katzen, wie wir sie heute kennen (Janis et al. 1998). Alle säbelzahntragenden Katzen sind heute ausnahmslos ausgestorben. Nur noch beim Nebelparder (Neofelis nebulosa) sind diese Säbelzähne in Ansätzen vorhanden (allerdings zusammen mit ebenfalls verlängerten unteren Reißzähnen, welche ein eher seltenes Merkmal innerhalb der Katzen bilden). Warum diese Tiere heute nicht mehr vorkommen, bleibt z.T. unklar. Tiere mit Säbelzähnen sind auf große Beutetiere angewiesen, für kleinere Beutetiere war ihr Gebiß nicht geeignet. Die Biom-Verschiebungen haben hier sicherlich einen starken Einfluß genommen.

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Fellzeichnungen – ein gemeinsamer Ursprung ist wahrscheinlich

Die Evolution der Fellzeichnungen von Katzen ist noch nicht vollständig verstanden, neuere Arbeiten kommen aber zu interessanten Ergebnissen.

Weigel (1961) glaubte, daß alle heutigen Fellzeichnungen von einem Urtypus mit einfachen dunklen Flecken abstammen. Interessanterweise ändert sich das Pigmentmuster des Fells bei Leopard und Jaguar während ihrer Entwicklung. Jungtiere besitzen einfache Flecken, während die erwachsenen Tiere Rosetten in verschiedenen Ausprägungen tragen. Von Werdelin & Olsson (1997) konnten zeigen, daß einfache Flecken in der Tat ein ursprüngliches Merkmal in der Katzenfamilie sind, welches in den verschiedensten Katzenlinien auftritt. Eine neue theoretische Studie von Liu und Mitarbeitern (2006) konnte mittels mathematischer Modelle bestätigen, daß bei Jaguar und Leopard sowohl das einfache Fleckenmuster der Jungtiere als auch die komplexeren Rosetten der Erwachsenen (inklusive aller Übergänge) sich mit ein und derselben mathematischen Funktion (einem sogenannten Turing-Modell) simulieren lassen. Es ist zu vermuten, daß sowohl während der Individualentwicklung der Tiere als auch in verschiedenen Katzenlinien lediglich eine Parameter-Anpassung im „Bauplan“ für das Fellmuster notwendig ist, um die verschiedenen Muster zu erklären. Mit anderen Worten: Mikroevolution reicht für die Entstehung verschiedener Fellzeichnungen (zumindest der gefleckten Katzen) als Ursache aus. Andere Muster wie Tigerstreifen, wurden von Liu und Mitarbeitern (2006) nicht betrachtet, aber dieselbe Art von Modellierung wird verwendet, um die Streifen anderer Tiere zu simulieren. Die genannten Studien betonen insgesamt die Gemeinsamkeiten des Grundtyps „Katzenartige“.

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Die Radiation der modernen Katzen im Miozän
grosses Bild
Abb. 2: Stammbaum der Katzengruppen. Die Endpunkte des Stammbaumes entsprechen jeweils einer Katzengruppe (siehe Text). Die Farben korrespondieren jeweils mit dem entsprechenden Erdteil. Der Leopard hat von allen Katzen das weiteste Verbreitungsgebiet, von Afrika über das südliche Eurasien bis Ostasien. Umgezeichnet nach Johnson und Mitarbeiter (2006), dort sind auch weitere Informationen wie die genetische Distanz etc. zu finden.

Die Abstammungsgeschichte der modernen Katzen ist kompliziert und war lange Zeit kontrovers, denn die Artbildung erfolgte sehr schnell vor nicht allzu langer Zeit. Vor kurzem konnten DNA-Analysen diese Lücke jedoch zum allergrößten Teil füllen.

DNA-Analysen von vielen verschiedenen Genen oder Abschnitten auf dem Genom zusammen mit modernen statistischen Verfahren ergaben acht Gruppen von Katzen (Abb. 3):

  1. Pantherartige (Löwe, Jaguar, Leopard, Tiger, Schneeleopard, Nebelparder)
  2. Goldkatzenartige (Borneo-Goldkatze, Asiatische Goldkatze, Marmorkatze)
  3. Wüstenluchsartige (Wüstenluchs, Afrikanische Goldkatze, Serval)
  4. Ozelotartige (Ozelot, Langschwanzkatze, Bergkatze, Pampaskatze, Kleinfleckkatze, Chilenische Waldkatze, Tigerkatze)
  5. Luchsartige (Pardelluchs, Europäischer Luchs, Kanadischer Luchs, Rotluchs)
  6. Pumaartige (Puma, Wieselkatze, Gepard)
  7. Leopardartige (Manul, Rostkatze, Bengalkatze, Fischkatze, Flachkopfkatze)
  8. Hauskatzenartige (Hauskatze, Europäische Wildkatze, Falbkatze, Graukatze, Sandkatze, Schwarzfußkatze, Rohrkatze)

Trotz eines stimmigen Gesamtbilds sind einige Abstammungsereignisse weiterhin unsicher. Dies betrifft beispielsweise die Position der Bergkatze (L. jacobita) innerhalb der Ozelotartigen, die Abstammungsreihenfolge der Rohrkatze und der Schwarzfußkatze innerhalb der Hauskatzenartigen, sowie die genaue Hierarchie der Panthera-Arten. Innerhalb der Phylogenie der Katzen ereigneten sich 21 von 36 Abstammungsereignissen in nur 1 Million Jahre und die sieben Ereignisse, die jeweils zu den Katzengruppen führten, sind im Schnitt nur 600.000 Jahre (jeweils nach herkömmlicher Zeitrechnung) voneinander entfernt. Ähnliche Radiationsereignisse sind für die meisten Abstammungsgeschichten von Wirbeltieren üblich, weshalb man zur phylogenetischen Analyse immer große Gensets heranziehen muß. Während ihrer Radiation haben die Katzen durch Wanderungsbewegungen immer wieder auch Kontinente und Verbreitungszonen gewechselt. Dies wird am besten in Abb. 2 deutlich (Johnson et al. 2006).

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Hybridisierungsstudien innerhalb der Katzenartigen
Abb. 3: Hybridisierungsnetzwerk der heutigen Katzenfamilie. Je eine Katzengruppe (siehe Text) wird als Kreis dargestellt, wobei der Kreis der sogenannten Großkatzen fett dargestellt ist. Innerhalb einer Gruppe sind die Katzenarten durch einen drei-Buchstaben-Code des lateinischen Namens wiedergegeben (vgl. Abb. 3) und Hybride innerhalb der Gruppen sind mit einer Doppellinie angezeigt. Die Katzenarten, die an Hybriden zwischen den Gruppen beteiligt sind, sind blau gesetzt. Hybride zwischen den Gruppen gehen auf drei Arten zurück: F. catus (Hauskatze, gepunktete Linie), L. rufus (Rotluchs, gestrichelte Linie) und P. concolor (Puma, durchgezogene Linie). Weitere Daten und Bilder von Katzenhybriden auf der Webseite „Hybrid and Mutant Big Cats, Mammals & Birds“ (www.messybeast.com/genetics/hybrid-cats.htm).

Katzen sind beliebte Zoo- und Haustiere. Daher liegen einige Hybridisierungsstudien bei Katzen vor (Abb. 3; Gray 1972, Alderton 1993), inzwischen sind sieben der acht durch Johanson et al. (2006) definierten Hauptgruppen der Katzen über Kreuzungsereignisse miteinander verbunden. Die Goldkatzenartigen sind mit keiner anderen Gruppe über Hybridisierungen verbunden, stehen aber der nächsten Gruppe, den Wüstenluchsartigen, extrem nahe und sind auch in der Analyse von Johanson et al. (2006) Schwesterngruppen. Ansonsten gibt es auch innerhalb von Gruppen viele bekannte Hybride, so berichtet Alderton (1993) von einer erfolgreichen Verpaarung eines Hybrids aus Jaguar und Leopard mit Löwen. Auch wenn die Hybridisierungsdaten nicht vollständig alle Katzen umfassen, so zeigen die vorhandenen, daß es sich um eine einzige Gruppe von Tieren handelt, die jeweils miteinander fruchtbare Nachkommen haben können. Dabei gehen Hybride zwischen den Gruppen auf lediglich drei Arten zurück: F. catus (Hauskatze), L. rufus (Rotluchs, engl. Bobcat), und P. concolor (Puma). Die Hybride innerhalb der Luchs-Gruppe schließen immer den Rotluchs (L. rufus; vgl. Abb. 3) ein.

Hybride zwischen Arten erhalten oft einen neuen Namen, zusammengesetzt aus den Namen ihrer Eltern. Dabei wird der erste Teil vom Vater-, der hintere Teil des Namens dem Muttertier entlehnt. Beispiele sind P. leo x P. tigris (Löger oder Tiwe), P. leo x P. pardus (Löpard oder Leowe), P. tigris x P. pardus (Tigard), P. onca x P. pardus (Jaguleop oder Leopjag), P. onca x P. leo (Jaglöwe), P. concolor x P. pardus (Pumapard), C. serval x C. caracal (Servical oder Caraval), L. wiedii x L. pardalis (Marlot). Weibliche Hybride sind fertil und können sich reproduzieren (z.B. Lö-Lögers, Lö-Tiwes, Ti-Lögers, Ti-Tiwes) und sind, ausgehend von weiblichen Lögers oder Tiwes leicht zu züchten.

Vom taxonomischen Interesse her interessanter sind die Hybriden außerhalb der Gruppe der Pantherartigen. Die Kreuzung P. concolor x L. pardalis (Puma x Ozelot) bildet letztlich die Brücke von den Katzen kleiner Körpergröße zu den Katzen mit großem Körper (Dubost & Royere 1992). Denn der Puma P. concolor kreuzt sich auch mit den Großkatzen Leopard und Jaguar (P. pardus bzw. P. onca), während der Ozelot (L. pardalis) sich über einen intergenerischen Hybrid mit der Langschwanzkatze (L. wiedii) weiter mit der Hauskatze (F. catus) kreuzen läßt. Weiterhin verbinden sieben dokumentierte Hybrid-Schritte die größte Katze (Tiger, P. tigris), ausgehend vom massiven Löger (>400 kg), mit der kleinsten Katze (Schwarzfußkatze, F. nigripes): P. tigris (110-320 kg) x P. leo (120-250 kg) x P. pardus (30-85 kg) x P. concolor (35-100 kg) x L. pardalis (11-16 kg) x L. wiedii (3-9 kg) x F. catus (3-7 kg) x F. nigripes (1,5-2,5 kg). Fünf weitere Katzenhybride werden kommerziell als Haustiere gezüchtet: F. chaus x F. silvestris, L. rufus x F. chaus, L. rufus x F. catus, F. catus x P. bengalensis und (F. catus x P. bengalensis) x F. chaus.

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Katzenspezifische Viren

Viren sind winzigste Partikel, die sich nur mit Hilfe von Wirtszellen vermehren können. Außerhalb der Wirtszelle sind sie leb- und reglos. Viren müssen zuerst im Wirt an bestimmte Zellstrukturen andocken, bevor sie seine Zellen befallen können. Manche Viren können sehr viele, ganz unterschiedliche Wirte befallen, am bekanntesten sind zur Zeit die Grippeviren. Sie überspringen recht leicht Grundtypgrenzen von Vögeln, Schweinen, weiteren Tieren und auch Menschen. Dieser Virus dockt an eine Zellstruktur an, die offensichtlich bei vielen warmblütigen Tieren vorkommt. Andere Viren zeigen dagegen eine konstante Spezifität für nur eine bestimmte Gruppe von Wirten.

Die Feline Infektiöse Peritonitis ist eine tödliche Viruskrankheit, die ausschließlich Katzen aller Arten befällt und vom Felinen Coronavirus (FCoV) verursacht wird. Obwohl die Mutationsrate hoch ist (ca. 3 Mutationen / Virusgenom in jeder Generation) und der FCoV dem Virus, der für die menschliche Atemwegskrankheit SARS verantwortlich ist, sehr ähnelt, wurde seit der medizinischen Erstbeschreibung der Krankheit 1954 noch kein Wirtswechsel (d.h. Infektion außerhalb der Katzenfamilie) beobachtet. Natürlich kann ein solcher Vorgang in Zukunft nicht ausgeschlossen werden, aber bislang gilt, daß der FCoV „zuverlässig“ nur den Grundtyp der Katzenartigen befällt, von Hauskatzen bis Löwen, wobei Leoparden anscheinend besonders gefährdet sind. Der Immunstatus des einzelnen Tieres ist verantwortlich dafür, ob die Krankheit ausbricht oder nicht. Auch wenn die Wirtsspezifität von FCoV natürlich nur ein Hinweis sein kann, so spricht auch diese dafür, daß es sich bei Katzen um einen Grundtyp handelt, denn alle Katzen sind durch diese Viruserkrankung gleichermaßen gefährdet, während andere Grundtypen nicht befallen werden (siehe www.wikipedia.de „Feline Infektiöse Peritonitis“, Version 27. 9. 2006).

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Fazit

Das Kriterium der Kreuzbarkeit ist eines der wichtigsten Kennzeichen für die Zugehörigkeit zum selben Grundtyp nach Scherer (1993). Im Falle von fossilen Formen ist dieses Kriterium aber nicht anwendbar. Jedoch zeigen die vorhandenen Skelettdaten, Hybridisierungen, die molekularbiologischen Sequenzdaten und andere ergänzende Daten wie gemeinsame Fellzeichnungen oder bestimmte Virusspezifitäten, daß die Katzen einen Grundtyp bilden. Es kann angenommen werden, daß die Katzen von einem einzigen Vorfahren ausgehend eine mikroevolutive Radiation durchlaufen haben, die eine Bandbreite an Möglichkeiten (programmierte Variabilität) aufzeigt.

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