Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 19. Jg. Heft 1 - Mai 2012
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Verwirrende Konvergenzen

Zur Evolution des Mittelohres der Säugetiere

von Henrik Ullrich

Studium Integrale Journal
19. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2012
Seite 20 - 33


Zusammenfassung: Das Mittelohr mit den Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel repräsentiert eines der markantesten Merkmale der Säugetiere. Ihre Evolution galt bis vor kurzem als Paradebeispiel für eine lineare evolutionäre Umwandlung. Demgegenüber zeigen zahlreiche neue Funde einen unerwarteten Merkmalsmix, der zu einem weitreichenden Umdenken bezüglich des hypothetischen Evolutionsverlaufs bei Säugetieren zwingt.




Vom Lehrbuchbeispiel zum undurchdringbaren Wirrwarr

Die Säugetiere repräsentieren eine der vielfältigsten Tierklassen und sind für die Forschung von besonders großem Interesse, nicht zuletzt deshalb, weil der Mensch systematisch zu ihnen gehört. Besondere Kennzeichen (Schlüsselmerkmale) der Säugetiere sind u. a. Brustdrüsen, Fell bzw. Haare, spezifische Zahn- und Gebissmerkmale, das Kiefergelenk (sog. sekundäres Kiefergelenk) zwischen dem Unterkieferknochen (Mandibula bzw. Dentale) und der Schläfenbeinschuppe (Os squamosum bzw. Os temporale). Von zentraler Bedeutung ist das Mittelohr mit den charakteristischen drei Mittelohrknochen (Hammer – Malleus, Amboss – Incus, Steigbügel – Stapes; vgl. Abb. 1). Man kennt heute ca. 5400 lebende Säugetierarten und fossile Vertreter von mehr als 4000 Gattungen. Neben den aktuell lebenden Säugergruppen (Plazentatiere, Beuteltiere – Marsupialia und Kloakentiere – Monotremata) finden sich weitere ca. 20 Säugetierlinien in der fossilen Überlieferung (Luo 2007). Die heutigen Säugergruppen sind bereits im Mesozoikum* ausdifferenziert. Den aus dieser Zeit bekannten 540 Dinosauriergattungen stehen mittlerweile 310 Säugetiergattungen aus diesem geologischen Abschnitt gegenüber, zwei Drittel davon wurden erst in den letzten 25 Jahren entdeckt.

Abb. 1: Mittelohrknöchelchen des Menschen. Nach Bertolini & Leutert (1982)

Die Berücksichtigung der neueren Funde macht es erforderlich, dass die klassische evolutionäre Geschichte der Säugetiere komplett neu geschrieben werden muss. Der angenommene monophyletische* und graduelle Entwicklungsgang (vgl. Luo 2001) lässt sich aufgrund zahlreicher und wiederholt auftretender Homoplasien* gerade bei Schlüsselmerkmalen im Fossilbericht nicht mehr halten. Die Evolution der Säugetiere ist nach Luo (2007) eine sich mehrfach wiederholende (iterative) Folge von „experimentellen“ und explosiven Diversifikationen* von Säugetiergruppen, wobei bereits im Mesozoikum zahlreiche konvergente Anpassungen auftraten. Ein ähnlicher Modus des Evolutionsprozesses (polyphyletische* konvergente Entwicklungsschübe) dominiert auch die Herausbildung der modernen Säugetiere des Känozoikums* (Meredith et al. 2011). Ein solcher Verlauf der Phylogenese war aus evolutionstheoretischer Sicht – legt man die Erweitert Synthetische Evolutionstheorie zugrunde – völlig unerwartet und ist bis heute bezüglich der Mechanismen unverstanden.

Zusätzliche Probleme bei der Rekonstruktion der Säugerevolution resultieren aus den großen Diskrepanzen zwischen den ermittelten Altersangaben aus (untereinander schon extrem divergierenden) molekularen Stammbäumen (vgl. Rowe et al. 2008, Meredith et al. 2011) und den auf Fossilien basierenden Stammbäumen. Das betrifft besonders die Trennung der modernen Säugetiere von ihren hypothetischen Urahnen. Die molekularen Daten legten bisher ein deutlich höheres Alter für die Entstehung der modernen Säugetierordnungen nahe als die Fossilfunde (ca. 20-30 Millionen Jahre, vgl. Bininda-Emonds 2007). Ein neu entdecktes Fossil (Juramaia sinensis, s. u.) eines modernen Säugetiers aus der frühen Kreide wurde auf 160 Millionen Jahre datiert und scheint eine dieser Lücken zwar schließen zu können, provozierte aber zahlreiche neue Widersprüche. Darüber hinaus musste die Entstehung der ersten Säugetiere in die Trias, der ersten Periode des Mesozoikums, vordatiert werden, weil einige Schlüsselmerkmale der Säugetiere (z. B. Kiefergelenk und Zahnkronen bei Hadrocodium) schon bei Fossilien in dieser Formation nachweisbar sind.

In der Summe fordern diese aktuellen Befunde und die daraus ableitbaren Konsequenzen (z. B. iterative und konvergente Evolution von Schlüsselmerkmalen) einen Paradigmenwandel in den evolutionstheoretischen Modellierungen. Die Synthetische Evolutionstheorie (auch in ihrer erweiterten Form) kann auf die Frage nach den Mechanismen des nun anzunehmenden polyphyletischen* Verlaufs der Säugetierentwicklung keine plausiblen Antworten geben. Evo-Devo Konzepte (Evolutionäre Entwicklungsbiologie) sind die Hoffnungsträger, um das entstandene Vakuum zu füllen.

Zahlreiche neuere Fossilfunde von Säugetieren machen es erforderlich, dass die Entwürfe ihrer evolutionären Geschichte komplett neu geschrieben werden müssen. Der bislang angenommene monophyletische* und graduelle Entwicklungsgang (vgl. Luo 2001) lässt sich aufgrund zahlreicher und wiederholt auftretender Homoplasien* gerade bei Schlüsselmerkmalen* im Fossilbericht nicht mehr halten. Die Evolution der Säugetiere ist nach Luo (2007) eine sich mehrfach wiederholende (iterative) Folge von „experimentellen“ und explosiven Diversifikationen* von Säugetiergruppen, wobei im Mesozoikum und im Känozoikum zahlreiche konvergente Anpassungen aufgetreten sein sollen. Ein solcher Verlauf der Phylogenese war aus evolutionstheoretischer Sicht – legt man die Erweiterte Synthetische Evolutionstheorie zugrunde – völlig unerwartet. Evolutionäre Mechanismen, die eine solche Abfolge möglich machen, sind unbekannt. In der Summe fordern die aktuellen Befunde einen Paradigmenwandel in den evolutionstheoretischen Modellierungen der Säugerevolution.

In diesem Beitrag wird die phylogenetische Ableitung der Mittelohrknochen als eindrucksvolles Beispiel der skizzierten Probleme evolutionärer Hypothesenbildungen vorgestellt. Das Mittelohr repräsentiert eines der markantesten Merkmale der Säugetiere, da sich dessen Skelett auffallend von dem anderer Wirbeltiergruppen unterscheidet.

Die Evolution des Mittelohres bei Säugetieren bleibt trotz oder gerade wegen der Verfügbarkeit einer sehr großen Anzahl fossiler Dokumente mesozoischer und känozoischer Säugetiere widersprüchlich und unverstanden. Statt als Paradebeispiel für die Richtigkeit von evolutionären Konzeptionen zu dienen, müssen die Mittelohrknochen zu den „anspruchsvollsten Rätseln im Bereich der vergleichenden Wirbeltiermorphologie“ gezählt werden (Takechi & Kuratani 2010, 417).

In diesem Beitrag sollen am Beispiel der Debatte um die phylogenetische Ableitung der Mittelohrknochen die skizzierten Probleme evolutionärer Hypothesenbildungen unter Berücksichtigung der paläontologischen Daten dokumentiert werden. Inwieweit die im Rahmen von Evo-Devo-Konzepten vorgeschlagenen Mechanismen tatsächlich einen alternativen Ansatz für eine plausible Erklärung der Entstehung der Mittelohrknochen und damit der Säugetiere liefern können, soll Gegenstand eines weiteren Beitrags sein. Bis jetzt konnten die diesbezüglich geweckten Hoffnungen nicht eingelöst werden, da der Wissenszuwachs (z. B. zur Ontogenese* des Mittelohres) zu einer enormen Komplexitätszunahme des zu erklärenden Gegenstandes (Evolution des Mittelohres) führt.

Seit 1999 sind weitere überzeugende Untersuchungsergebnisse publiziert worden, die auf eine Neuklassifizierung drängen. Im Folgenden werden diese Befunde dargestellt. Wegen der notwendigen taxonomischen Revision wird der Gattungsname Homo der beiden Arten habilis und rudolfensis in Anführungszeichen gesetzt.

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Kurze Einführung in die Systematik der Säugetiere
Abb. 2: M„Systematik der Säugetiere (Mammalia) und ihrer Schwesterngruppen.
Dunkelblau: Schwesterngruppen der echten Säugetiere. Gelb: ausgestorbene Gruppen von Kronensäugetieren. Grün: Kloakentiere (Monotremata). Hellblau: Beutelsäuger (Metatheria / Marsupialia). Rot: höhere Säugetiere oder Plazentatiere (Eutheria/Plazentalia). Nach Luo (2007)

Die systematischen Beziehungen heutiger und fossiler Säugetiere, insbesondere das Auftreten und die Verteilung ihrer Schlüsselmerkmale sind im Fluss. Sie lassen sich gut mit dem Bild eines Netzes darstellen, jedoch nicht mehr widerspruchsfrei anhand der klassischen, sich verzweigenden Stammbaumschemata. Diese Situation findet sich mittlerweile vielfach im Tier- und Pflanzenreich (Ragan 2009); sie entspricht eher schöpfungstheoretischen Vorstellungen und bereitet evolutionstheoretischen Interpretationen immer größeres Kopfzerbrechen.

Die heutigen Säugetiere (Mammalia) werden in drei große Unterklassen unterteilt (vgl. Abb. 2). Zunächst in die Unterklasse der Ursäuger (Prototheria) mit einer einzigen Ordnung, den Kloakentieren (Monotremata), zu denen das Schnabeltier und der Ameisenigel gehören. Die zweite Unterklasse wird von den Beuteltieren (Metatheria/Marsupialia) gebildet, die mit zahlreichen Ordnungen in Südamerika und Australien beheimatet sind. Die Unterordnung der Känguruartigen repräsentiert die bekanntesten Vertreter der Beuteltiere. Die Unterklasse der höheren Säugetiere oder der Plazentatiere (Eutheria/Plazentalia) ist die artenreichste Gruppe, die in zahlreichen Lebensräumen mit einer spektakulären Breite von Bauplänen anzutreffen ist (vom 100 Tonnen schweren Wal bis zur 1g leichten Hummel-Fledermaus). Die Beuteltiere und die Plazentatiere werden zur Gruppe der Theria (übersetzt „wildes Tier“) zusammengefasst.

Neben diesen rezenten Säugetierunterklassen sind auf der Grundlage fossiler Funde aus dem Jura und der Kreide weitere Unterklassen bestimmt worden, wie z. B. die Eutriconodonten, die Multituberculata, die Spalacotheroidae, Stamm-Cladotheria und die Stamm-Boreosphenidae (nach Luo 2007). Zu Schwesterngruppen* der echten Säugetiere gehören die Klassen der Morganucodonten und Docodonten, säugetierähnliche Formen, deren Vertreter in sämtlichen mesozoischen* Schichten auftreten und die als Vorläufer der echten Säugetiere gelten. Gemeinsam mit den Mammalia bilden sie die Superklasse der Mammaliaformes. Unter dem Ausdruck Kronensäugetiere* fasst man alle heute lebenden Arten der Säugetiere, deren letzte gemeinsame Vorfahren und ihre ausgestorbenen Nachfahren zusammen. Als charakteristisches Kennzeichen der Kronensäugetiere galt bislang der Besitz des definitiven Säugetiermittelohres (DMME*).

Amnioten: Tiere, deren Individualentwicklung in speziellen Eihüllen erfolgt (Amnion, Chorion) und die eine besondere Ausstülpung der Eihüllen (Allantois) zeigen (Vögel, Reptilien, Säugetiere). MME/TMME/DMME: Abkürzungen für Bauplanvarianten des Mittelohres bei Säugetieren (Abb. 5). MME: „mammalian middle ear“, ursprünglich Bezeichnung für die charakteristische Anatomie des Mittelohres der rezenten (heutigen) Säugetiere (Abb. 1). In der wissenschaftlichen Literatur der letzten 10 Jahre beschreibt MME jedoch die anatomische Konstellation bei fossilen säugetierähnlichen Arten (Mammaliaformes) und einigen fossilen Säugetieren. Die Gehörknöchelchen bzw. die -> postdentalen Knochen liegen hier in einer Grube (Mandibulargrube) an der inneren seitlichen Fläche des aufsteigenden Unterkieferastes und sind über den verknöcherten Meckelknorpel mit dem zahntragenden Anteil des Unterkiefers (Dentale) verbunden. Meng et al. (2011) bezeichnen MME neuerdings als „mandibular middle ear“. TMME: „transitional mammalian middle ear“, anatomische Konstellation bei einigen fossilen Säugetieren. Die Gehörknöchelchen und das Ectotympanon (knöcherner Ring zur Stütze des Trommelfells) haben keinen direkten Kontakt zum -> Dentale, sind aber mit dem hinteren Anteil des verknöcherten Meckelknorpels verbunden. DMME: „definitive mammalian middle ear“. Beim definitiven Säuger-Mittelohr (DMME) zeigen die drei Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel keine Verbindung zum Meckelknorpel bzw. zum Unterkieferknochen, sie liegen innen vom aufsteigenden Unterkieferast. Diese Befundkonstellation findet sich bei allen modernen Säugetieren und nahezu allen fossilen -> Kronensäugetieren. Dentale/Os dentale: Unterkieferknochen bzw. zahntragender Anteil des Unterkiefers. Diversifikation: Verschieden-Werden in sich auseinander entwickelnden Linien. Heterochronie: Zeitliche Verschiebung bestimmter -> ontogenetischer Entwicklungsprozesse oder beim Auftreten ontogenetischer Bildungen im Vergleich zu mutmaßlichen stammesgeschichtlichen Vorläufern. Homologie: Spezifisches Ähnlichkeitsmuster von Merkmalen von Tieren, welches auf der Basis von verschiedenen formalen Kriterien (Struktur, Lage, Umgebung, -> Ontogenese u. a.) definiert und kausal auf ein ursprüngliches Merkmal eines gemeinsamen stammesgeschichtlichen Vorfahren zurückgeführt wird. Homoplasie: Überbegriff für Konvergenzen, Parallelentwicklungen und Rückentwicklungen; es handelt sich um Merkmalsübereinstimmungen bei stammesgeschichtlich getrennten Linien, die nicht auf ein ursprüngliches Merkmal eines gemeinsamen Vorfahren zurückgeführt werden können (im Gegensatz zur Homologie). Känozoikum: Erdneuzeit, die auf das Mesozoikum (Erdmittelalter) folgt und bis heute andauert. Der Beginn des Känozoikums wird vor etwa 65,5 Millionen Jahren angenommen (Kreide-Tertiär-Grenze) Konvergenz: Merkmalsübereinstimmung, die nicht auf Abstammung von einem gemeinsamen Vorfahren zurückgeführt wird, sondern durch unabhängige Evolution – ausgehend von nicht-homologen Ausgangsstrukturen – entstanden sein soll. Mesenchym: Embryonaler Gewebetyp, der u. a. für die Herausbildung der Knochen, des Bindegewebes und der Muskulatur grundlegend ist. Das Mesenchym leitet sich von unterschiedlichen embryonalen Quellen ab (normales Mesenchym, Neuralleistenmesenchym). Mesozoikum: Erdmittelalter, das vor etwa 251 Millionen Jahren begonnen und vor etwa 65,5 Millionen Jahren geendet haben soll. MOK: Mittelohrknochen. monophyletisch: Alle Individuen der betrachteten Tiergruppe (z. B. Säugetiere) leiten sich von einer einzigen gemeinsamen Stammform ab. Ontogenese: Entwicklung vom befruchteten Ei bis zum ausgewachsenen Organismus (Individualentwicklung). Parallele Evolution: Konvergente Merkmalsübereinstimmungen, die sich u. a. auf der Basis gleicher evolutionärer Entwicklungspotentiale (z. B. ähnliche Gensequenzen) bei stammesgeschichtlich getrennten Gruppen herausgebildet haben sollen (z. B. Trommelfell bei Reptilien und Säugetieren) phylogenetisch: stammesgeschichtlich. polyphyletisch: Die Individuen der betrachteten Tiergruppe (z. B. Warmblüter wie Säugetiere und Vögel) leiten sich nicht von einer gemeinsamen Stammform ab. postdentale Elemente: Knöcherne Strukturen, die hinter dem zahntragenden Os dentale angeordnet sind wie Angulare, Artikulare, Surangulare. Reversion: Merkmalsübereinstimmung als Folge des evolutionären Wiederauftretens eines stammesgeschichtlich früheren Merkmals. Kronensäugetiere: Eine Kronengruppe enthält alle heute lebenden Arten einer Gruppe, deren letzte gemeinsame Vorfahren und deren ausgestorbene Nachfahren. Als charakteristisches Kennzeichen der Kronensäugetiere galt der Besitz des -> DMME (Abb. 2). Pädomorphose: Ein embryonales Merkmalsmosaik in einer stammesgeschichtlich ursprünglichen Tiergruppe wird bei einer stammesgeschichtlich abgeleiteten Tiergruppe im Erwachsenenstadium dauerhaft ausgebildet. In diesem Artikel geht es um die Verbindung des Meckelknorpels mit dem embryonalen Unterkiefer und den Mittelohrknochen, die embryonal bei heutigen Säugetieren angelegt wird, jedoch bei manchen fossilen Formen im ausgewachsenen Zustand dauerhaft auftrat. Schlüsselmerkmale: Hier klassenspezifische Merkmale der Säugetiere wie Brustdrüsen, Fell bzw. Haare, sekundärer Gaumen, spezifische Zahn- und Gebissmerkmale, Kiefergelenk zwischen Os squamosum und Mandibula (sog. sekundäres Kiefergelenk), Mittelohrknochen (Hammer – Malleus, Amboss – Incus, Steigbügel – Stapes), Homoiothermie (gleichwarme Körpertemperatur), meist 7 Halswirbelkörper. Schwesterngruppe: Zwei Tiergruppen, die eine nur ihnen gemeinsame phylogenetische Stammgruppe besitzen.

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Schlüsselmerkmal: Mittelohrknochen

Anatomie, Physiologie und Embryologie bei heutigen Säugetieren
Ein besonderes Kennzeichen heutiger Säugetiere ist der Aufbau des Mittelohres durch drei Gehörknöchelchen, nämlich Hammer (Malleus), Amboss (Incus) und Steigbügel (Stapes, Abb. 1). Sie ermöglichen die Übertragung der durch den Schall ausgelösten Schwingungen vom Trommelfell zum ovalen Fenster des Innenohres. Die dreiteilige knöcherne Struktur zeigt bei heutigen ausgewachsenen Säugetieren (Plazentatiere, Beuteltiere, Kloakentiere) keine Verbindung mit dem Unterkieferknochen und ist innen und oberhalb des Unterkiefers deutlich getrennt vom aufsteigenden Unterkieferast in einer knöchernen Kapsel (Paukenhöhle) gelegen. Die Paukenhöhle wird gegenüber dem äußeren Gehörgang durch das Trommelfell (Tympanon) abgegrenzt. Ein knöcherner Ring, das morphologisch sehr variable Ectotympanon, spannt das Trommelfell auf. Diese anatomische Konstellation wird hier in Anlehnung an Martin & Ruf (2009) und andere Autoren als „definitives Säugermittelohr“ bezeichnet („definitive mammalian middle ear“, im Folgenden „DMME“*). Während der ontogenetischen* Entwicklung besteht vorübergehend eine knorpelige Verbindung (über den Meckelknorpel) zwischen den Anlagen der Mittelohrknochen und des Unterkiefers (Abb. 3).

Bei einigen fossilen Säugetieren sind jedoch die Mittelohrknochen über den ontogenetisch nicht zurückgebildeten und verknöcherten Meckelknorpel mit dem Unterkieferknochen verwachsen oder es liegen Reste des verknöcherten Meckelknorpels ohne Verbindung zum Unterkiefer vor. Als Hinweis auf die Existenz eines verknöcherten (aber fossil nicht nachweisbaren) Meckelknorpels wird bei einigen Fossilien die Existenz der Meckelschen Rinne („meckelian groove“ oder „mandibular groove“) an der Innenfläche des unteren Unterkieferastes gewertet. Andere fossile Säugetierformen zeigen darüber hinaus noch eine an der Innenseite des aufsteigenden Unterkieferastes ausgebildete Grube („mandibular trough“), in der ihre Gehörknöchelchen bzw. die postdentalen* Knochen (wie Angulare, Artikulare, Quadratum) aufgenommen wurden. Diese zuletzt genannten anatomischen Konstellationen werden heute als MME* bezeichnet (vgl. Abb. 5).

Klassische Sicht der Evolution der Mittelohrknochen
Das Mittelohr repräsentiert eines der markantesten Merkmale der Säugetiere, da sich dessen Skelett auffallend von dem anderer Wirbeltiergruppen unterscheidet (Abb. 4). Seit mehr als 200 Jahren zeigen deshalb Zoologen großes Interesse an dieser Struktur, um dessen anatomische Einzigartigkeit zu erklären. Mehrere recht unterschiedliche, z. T. widersprüchliche homologe* Zuordnungen wurden entwickelt. Der Ansatz des naturphilosophisch argumentierenden Anatomen Reichert (1837) erfuhr im 19. Jahrhundert die größte Zustimmung und wurde durch Gaupp (1911, 1912) in eine evolutionstheoretische Lesart übertragen. Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Reicherts Name in der Reichert-Gauppschen-Theorie Berühmtheit erlangte, obwohl er sich deutlich gegen Darwins Abstammungslehre ausgesprochen hatte (vgl. Ullrich 1994, 1997).

Abb. 4: Schematische Schnitte durch die Ohrregion eines Reptils (A) und eines modernen Säugers (B). Aus Junker & Scherer (2006)

Aufgrund eigener ontogenetischer Studien und aufbauend auf Untersuchungen von Meckel (1820) vermutete Reichert eine homologe Entsprechung von Quadratum und Artikulare bei Reptilien (Bestandteile des Kieferskeletts bei Reptilien) mit dem Hammer und dem Amboss, zwei Mittelohrknochen der Säugetiere. Die Extracolumella (oder Columella auris), das schallübertragende Element zwischen Trommelfell und Innenohr bei Reptilien, entsprach nach Reichert dem Steigbügel der Säugetiere. Diese – nicht evolutionär, sondern naturphilosophisch-idealistisch interpretierte – Homologie begründete Reichert mit ontogenetischen* Befunden. Aus dem Knorpel des ersten embryonalen Pharyngealbogens entstehen nach Reichert bei Reptilien Artikulare und Quadratum, bei Säugetieren Hammer und Amboss und aus dem des zweiten Pharyngealbogens die Columella (Reptilien) bzw. der Stapes (Säugetiere). Um 1840 bestätigten auch Fossilien aus Südafrika und Russland zunächst Reicherts Thesen. Die Homologie der Mittelohrknochen (MOK) der Säuger mit den Kiefergelenkknochen Quadratum und Artikulare der Synapsiden (Pelycosaurus, Therapsiden) wurde u. a. durch Owen (1845) unterstützt (jedoch nicht deren Evolution, wie z. B. von Takechi & Kuratani 2010 unterstellt wird).

Mit dem Ziel, die evolutionäre Abwandlung der MOK der Säuger aus Anteilen des Kiefergelenkes von säugerähnlichen Reptilien (Synapsiden) zu belegen, untersuchte und dokumentierte Gaupp (1911, 1912) eine große Anzahl von Wirbeltierschädeln. Er bezeichnete als erster das Kiefergelenk bei Säugern (das im Unterschied zu anderen Amnioten* zwischen den Knochenstrukturen Squamosum und Dentale gelegen ist) als sekundäres Kiefergelenk. Als primäres Kiefergelenk wurde das bei den Reptilien vorhandene Gelenk zwischen Quadratum und Artikulare benannt. Die Zusammenstellung der ontogenetischen und vergleichend anatomischen Befunde fand in der Reichert-Gauppschen Theorie (1912) ihren Niederschlag. Diese übte einen starken Einfluss auf die weitere evolutionsbiologische Forschung aus, in deren Fokus die Bestätigung der evolutionären Herleitung der MOK bei Säugern aus den homologen Anteilen des Kiefergelenkes von säugerähnlichen Reptilien („nonmammalian amniotes“) stand. Zahlreiche Fossilien früher Säuger unterstützten zunächst die Annahme eines solchen Übergangs (ausführliche Zusammenstellung der Literatur zur Geschichte der Fossilfunde bei Takechi et al. 2010), was die Evolution der Mittelohrknochen bei Säugetieren zu einem Paradebeispiel der Evolution machte. Statt eine unwahrscheinliche Neubildung von Knochenelementen (drei statt einem MOK) annehmen zu müssen schien eine Umfunktionierung schon vorhandener Knochen (Kiefergelenkknochen zu Gehörknöchelchen) fossil gut begründet zu sein.

Abb. 5: Morphologische Varianten des Mittelohrs bei den Mammaliaformes. Man beachte insbesondere die variable Formation des Meckelknorpels und des Angulare bzw. des Ectotympanon. Nach Meng et al. (2011) stellen das MME und das TMME evolutionäre Übergangsformen zum DMME dar – ein Prozess, der mehrfach unabhängig in der Evolution der Säugetiere erfolgt sein soll. a-c: Blick von innen (medial) auf den Unterkiefer (Mandibula) und die Ohrregion von Morganucodon mit MME, Liaconodon mit TMME und einem schematisierten höheren Säugetier mit DMME. d-g: Blick von der Bauchseite (ventral) auf die Unterkiefer (Mandibula) und Ohrregion von Morganucodon mit MME, Liaoconodon mit TMME, Schnabeltier und Beutelratte mit DMME. Nach Meng et al. (2011)

Noch vor 10 Jahren war man überzeugt, dass die Evolution der Säugetiere (einschließlich ihres Schlüsselmerkmals MOK) stufenweise und kontinuierlich ohne Sprünge oder rasante Diversifikationen* erfolgte. Die Evolution sollte demnach graduell und monophyletisch* erfolgen (Abb. 6). Die ersten Schritte sah man in frühen Therapsiden verwirklicht, die eine etwas kleinere Anlage der postdentalen* Elemente zeigten. Das Dentale dehnte sich – so die Theorie – nach hinten und hinten-oben aus und etablierte das sekundäre Gelenk mit dem Squamosum. Das Angulare entwickelte einen nach hinten orientierten Prozess (z. B. beim Dimetrodon-Pelycosaurier = „reflected lamina“), welcher eventuell die Basis des ringförmigen Ectotympanon der frühen Säuger dargestellt haben könnte. Einige höhere Cynodonta (Therapsiden) zeigen – wenn die Interpretation stimmt – ein doppelt gelagertes Kiefergelenk (wie Diarthrognathus). Diese Situation wird als ein Zwischenstadium gedeutet: das seitlich gelegene Squamoso-Dental-Gelenk übernimmt die Kaufunktion und entlässt die innen gelegenen primären postdentalen Kieferelemente, die dann später in das Mittelohr wandern. Die anatomische Situation bei Morganuconodon wird als Prototyp für den Start der Entwicklung vom MME zum DMME betrachtet, da hier die postdentalen Kieferelemente („Angulare“, „Artikulare“, „Präartikulare“ und „Quadratum“) ausschließlich Strukturen des Hörapparates sind, vollständig getrennt vom Kauapparat (Meng et al. 2011).

Abb. 6: Hypothetische Evolution des Mittelohres und der Gehörknöchelchen. A Von unten nach oben werden hypothetische Stufen der Mittelohrevolution schematisiert dargestellt, beginnend bei dem Grundbauplan eines adulten Reptils und endend bei dem eines adulten Säugetiers. Blick von innen (medial) auf den linken Unterkiefer. Insbesondere erfahren die postdentalen Knochen des Reptils , konkret das Angulare (ang), das Artikulare (art) und das Quadratum (q, qj) eine graduelle Umformung zum Ectotympanon (ect) und den Gehörknöchelchen Malleus (ma) und Incus (in). Dieser Prozess geht auch mit einer räumlichen Isolation und Verlagerung dieser Knochen in die Mittelohrregion einher. Der Steigbügel (Stapes) ist in diesem Schema nicht mit berücksichtigt. Das Dentale (d) stellt bei Reptilien einen Teilknochen, bei Säugetieren den einzigen Knochen des Unterkiefers dar. B Schematische Darstellung der topographisch-anatomischen Lagebeziehungen zwischen dem sogenannten primären und sekundären Kiefergelenk bei Dimetrodon (Reptil), Diarthrognathus (Mammaliaformes) im Vergleich zum sogenannten sekundären Kiefergelenk bei Didelphis (Marsupialia). Blick von außen (lateral) auf die linke Seite des Schädels. Nach Takechi & Kuratani (2010).

Folgende hypothetische Einzelschritte bzw. Zwischenstadien sind nach Luo (2001) und Meng (2011) für diese evolutionäre Transformation erforderlich (siehe Abb. 6):

1. Transformation des komplexen doppelt gelagerten Kiefergelenkes der Synapsiden (zwischen Artikulare und Quadratum sowie Os dentale und Os squamosum) in ein einfach gelagertes Gelenk zwischen dem Unterkiefer und dem Schläfenbein (zwischen Os mandibulare und Os temporale = temporomandibulares Gelenk bzw. Sqamoso-Dental-Gelenk).

2. Die frei werdenden Knochen des Unterkiefers werden z. T. transformiert zu schallwellenübertragenden Elementen (Os praearticulare und Os articulare bilden den Hammer).

3. Ein frei werdendes knöchernes Element des Oberkiefers (Os quadratum) wird Bestandteil der schallwellenübertragenden Kette (Amboss), in die nun auch der alte Steigbügel (ehemalige Columella der Reptilien) integriert wird.

4. Änderung der Lage der Mittelohrknochen (MOK) in der Mandibulargrube („mandibular trough“) des aufsteigenden Unterkieferastes bei frühen Mammaliaformes, hier z. T. noch knöcherne Verbindung über Meckelknorpel mit Unterkiefer (Os dentale) = MME*.

5. Die MOK wandern nach innen und oben an die Schädelbasis des sich im Verlauf der Evolution parallel vergrößernden Schädels; die Mandibulargrube wird zurückgebildet.

6. Die knöcherne Verbindung zum Unterkiefer über den Meckelknorpel wird über die Zwischenstufe des TMME* zurückgebildet.

7. Das Os angulare (ehemals Unterkieferelement) bildet den knöchernen Ring (Ectotympanon), in dem das Trommelfell aufgespannt wird. Das definitive Säuger-Mittelohr DMME* ist damit herausgebildet.

Überraschende fossile Befunde

Das DMME galt noch bis ca. 2005 als unumstrittenes Schlüsselmerkmal bei den Säugetieren, weil – wie oben gezeigt – die Embryonalentwicklung moderner Säugetiere und der Fossilbericht das hier skizzierte Szenario einer monophyletisch-graduellen Evolution eindrucksvoll zu bestätigen schienen (Takechi & Kuratani 2010).

Mit der Zunahme von Funden mesozoischer Säugetiere und von Erkenntnissen aus der Embryologie ist dieser hypothetische Ansatz jedoch nicht mehr haltbar. Der aktuelle Fossilbefund lässt nur noch den Schluss auf eine mehrfach unabhängige Entstehung des DMME in unterschiedlichen Säugetierlinien zu. Das Mittelohr verliert damit seinen Status als Schlüsselmerkmal der modernen Säugetiere (z.B. Luo 2007). Andere Autoren vermuten dagegen eine mehrfache Rückbildung oder Pädomorphose eines ursprünglich nur einmal evolvierten DMME. Es ist jedoch methodisch nicht möglich, auf der Grundlage eines Vergleichs zu bestimmen, ob die Mehrfachentstehung der MOK oder die mehrfache Pädomorphose den tatsächlichen evolutionären Entwicklungsweg repräsentiert.

Neben diesen methodischen Begrenzungen, die zu vielen kontroversen Debatten in der modernen Systematik führten (Meredith et al. 2011), sind es wiederholt neue fossile Befunde gewesen, die nach Ansicht verschiedener Paläontologen eine grundsätzliche Neubewertung der Evolution von Säugetieren (z.B. polyphyletische* Ableitung) erfordern. Werden neben den MOK noch andere Schlüsselmerkmale (z. B. tribosphenische Zahnprofile, Flugfähigkeit, Leben im Wasser) berücksichtigt, ergeben sich folgende Konsequenzen: Die Schlüsselmerkmale der Säugetiere sind zum einen in älteren Säugetierlinien mehrfach in einer Epoche unabhängig evolviert und zum anderen mit einer erstaunlichen Ähnlichkeit in jüngeren Säugetierlinien erneut mehrfach parallel entstanden (Luo 2007). Wie kontrovers die Diskussionen und die Bewertungen bzgl. der Entstehung des Mittelohres in den letzten 10 Jahren verliefen, vertieft an einigen Beispielen der Kastentext „Neue fossile Befunde“.

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Widersprüche für die Evolution der Mittelohrknochen

Die Evolution des Mittelohres bei Säugetieren ist trotz oder gerade wegen der Verfügbarkeit einer sehr großen Anzahl fossiler Dokumente mesozoischer und känozoischer Säugetiere rätselhaft und unverstanden. War man gegen Ausgang des 20. Jahrhunderts noch überzeugt, die bis dahin geltenden evolutionären Rekonstruktionen durch Fossilien bestätigt zu sehen (Luo et al. 2001), änderte sich dieses optimistische Bild dramatisch in den letzten 25 Jahren. Diese Einschätzung gilt aber nicht nur für die Betrachtung des zentralen Schlüsselmerkmals der MOK, sondern auch für weitere Schlüsselmerkmale der Säugetiere (z. B. tribosphenisches Zahnmuster) und deshalb für die gesamten Evolutionsabläufe innerhalb dieser Klasse. So stellen Luo et al. (2007, 1011) fest: „Die Evolution der frühesten Säugetiere zeigt aufeinander folgende Episoden von Diversifikationen*. Die Aufteilung in unterschiedliche Linien bei mesozoischen Säugetieren ist gekoppelt an viele unabhängige evolutionäre Experimente und ökologische Spezialisierungen.“

Abb. 7: Das Auftreten der morphologischen Varianten des Mittelohres bei den verschiedenen fossilen und rezenten Säugetiergruppen erfordert die Annahme einer mehrfachen Entstehung des DMME (schwarzer Stern) bzw. einer mehrfachen Rückentwicklung (Reversion) vom DMME zum TMME (weißer Stern). In diesem Schema nicht dargestellt ist das zeitliche Auftreten der morphologischen Varianten im Fossilbericht. Das DMME von Vertretern der Eutheria – Juramaia sinensis – z.B. existierte zeitgleich mit den anatomischen Varianten von Morganucodon und vor dem Auftreten des TMME der Eutriconodonten. Nach Meng (2011)
„Die evolutionären Ursprünge dieses Merkmalskomplexes und seine Homologie wurden als die anspruchsvollsten Rätsel
im Bereich der vergleichenden Wirbel-tiermorphologie angesehen“
(Takechi & Kuratani 2010, 417).

Damit wird das klassische Szenario einer kontinuierlichen Evolution der Säugetiere aufgegeben. Demgegenüber steht nun der Ansatz, dass viele Säugetierlinien parallel und in verschiedenen zeitlichen Epochen (Mesozoikum und Känozoikum) gleiche Merkmalskomplexe konvergent hervorbrachten.

Aus den in diesem Beitrag zusammengestellten und weiteren hier nicht ausführlich diskutierten Befundkonstellationen (vgl. dazu Takechi & Kuratani 2010) ergeben sich speziell für die evolutionstheoretische Interpretation der Mittelohrentstehung zahlreiche widersprüchliche Zusammenhänge.

1. Mehrfache und sich wiederholende Variabilität
Es existierten sowohl zeitgleich als auch aufeinanderfolgend im Meso- und Känozoikum Säugetierlinien mit einer erstaunlichen Vielfalt morphologischer Varianten im Arrangement und der individuellen Gestaltung von Mittelohrknochen sowie der umgebenden Strukturen (z. B. Meckelknorpel, Trommelfell und Ectotympanon). Die ältesten fossilen Säugetiere (Hadrocodium, Juramaia) zeigen bereits eindeutige Hinweise für das Vorliegen eines DMME. Der Befund lässt evolutionstheoretisch nur den Schluss auf eine mehrfach parallele, unabhängige und in den erdgeschichtlichen Epochen sich wiederholende Entstehung bzw. Rückbildung (z. B. durch Pädomorphose) der Mittelohrstrukturen zu.

2. Mehrere aufeinanderfolgende identische Konvergenzen
Wie häufig das DMME aus evolutionärer Perspektive unabhängig voneinander und nacheinander entstanden ist, kann gegenwärtig nicht beantwortet werden. Ebenso unklar bleibt, wie häufig Pädomorphosen des Meckelknorpels unabhängig voneinander auftraten.

3. Merkmalsvergleiche führen zu widersprüchlichen Deutungen
Auf der Grundlage fossiler und ontogenetischer Befunde waren und sind unterschiedliche Homologisierungen möglich und damit die Formulierung verschiedenster Modi der evolutionären Entwicklung des Mittelohres bei Säugetieren. Es gibt kein objektives Kriterium, um zu entscheiden, welches fossile Detail, welcher ontogenetische Entwicklungsweg, welche ontogenetische Struktur oder welcher ontogenetische Zeitpunkt für eine Homologisierung im Sinne einer Rekonstruktion der Phylogenese geeignet sind (vgl. Junker 2002, Richardson 2001). Neben den von Reichert und Gaupp diskutieren Homologien finden sich in der Literatur mehrere damit nicht kompatible Ansätze, die auf der Grundlage fossiler und embryonaler Befunde detailliert begründet wurden (Anson et al. 1960; Hanson & Anson 1962; Strickland et al. 1962; O’Rahilly 1999; Fuchs 1905, 1931; Otto 1984; Jarvik 1980; Zusammenstellung siehe bei Takechi & Kuratani 2011). Die Sonderstellung der durch die Reichert-Gauppsche Theorie postulierten Homologisierung von embryonalen Strukturen des Mittelohrskeletts bei Säugetieren mit den ausgebildeten Kiefergelenkknochen bei den Nichtsäugern ist auf empirischer Basis unbegründet und nicht widerspruchsfrei möglich (vgl. Abb. 7).

4. Angriffspunkt und Wirkungsweise der Selektion unklar
Es besteht Unklarheit über die treibenden Kräfte bzw. über die Richtung der Selektionsdrücke, die den Wandel vom primären zum sekundären Kiefergelenk und damit die Konstruktion des Mittelohres ermöglichten bzw. kanalisierten und auch zu Rückentwicklungen (über Pädomorphosen) führten. Die diesbezüglich aufgestellten Hypothesen sind widersprüchlich und wurden durch den Fossilbefund z. T. widerlegt (siehe Kastentext).

Ein Beispiel: Warum erfolgte die Verlagerung der postdentalen* Knochen der Nichtsäuger in das Mittelohr der Säuger? Nach Parrington (1979) stellte die Verbesserung der Kaufähigkeiten bei den Vorfahren der Säuger eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung des Säugermittelohres dar. Seine Erklärung ist, dass die dafür erforderliche Vergrößerung des Dentale durch selektive Kräfte gefördert wurde. Die postdentalen Elemente (Angulare, Artikulare) wurden zunächst rudimentär und wanderten danach in das Mittelohr und übernahmen hier eine neue Hör-Funktion (z. B. Morganucodon nutzte nur das sekundäre Kiefergelenk zum Kauen, die postdentalen Strukturen waren noch mit dem Unterkiefer fusioniert).

Der Schluss auf eine mehrfach parallele, unabhängige und sich wiederholende Entstehung bzw. Ruckbildung der Mittelohrstrukturen ist unvermeidlich.

Dagegen argumentiert Allin (1975), dass die postdentalen Elemente bereits in den Vorfahren der Säug er als schallleitende Mittelohrkomponenten dienten. Die Verbesserung der Hörfähigkeiten durch Verlagerung der postdentalen Elemente in das Mittelohr stellt für ihn den entscheidenden Selektionsvorteil dar.

Eine dritte Vorstellung basiert auf der These, dass eine von der Selektion geförderte Vergrößerung des Gehirns (Rowe 1996a, b; Luo et al. 2001) dazu führte, dass die postdentalen Elemente in die Mittelohrregion verschoben wurden. Dieser Ansicht wurde durch Wang 2001 widersprochen (s. o.). Er konnte zeigen, dass frühe Säuger (Repenomamus, Gobiconodon; Abb. 8) mit einem kleinen Gehirn bereits ein „DMME“ (heute als TMME bezeichnet) besaßen. Er vermutete als Ursache der Verlagerung ontogenetische Fehler bei den Säugervorfahren, in deren Folge postdentale Elemente nicht mehr am Dentale gebunden blieben.

Hadrocodium – bereits vor 200 Millionen Jahren Säugetiere mit DMME. 2001 stellen Luo et al. die fossilen Überreste von Hadrocodium wui, einem ca. nur 2 g wiegendes Leichtgewicht aus dem frühen Jura (ca. 195 Millionen Jahre) der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor. Das Tier, das in den berühmten Lufeng-Schichten der Provinz Yunnan in China gefunden wurde, besaß zahlreiche Merkmale moderner Säugetiere. Neben dem relativ großen Schädelvolumen und einem modern ausgebildeten Temporo-Mandibulargelenk zeigte der aufsteigende Unterkieferast an seiner Innenseite keine Grubenbildung. Ebenso fanden sich keine Hinweise für das Vorliegen eines verknöcherten Meckelknorpels. Damit ist der Schluss sicher begründet, dass sich die Mittelohrknochen vollständig vom Unterkiefer gelöst haben und Hadrocodium ein DMME besaß.

Luo et al. beurteilen den Fund zusammenfassend so: „Es [Hadrocodium, H. U.] zeigt, dass einige der evolutionären Schlüsselinnovationen von Säugetieren, die Ohrregion, das temporo-mandibulare Gelenk und die Gehirngröße sich schrittweise während der Evolution der Mammaliaformes und lange vor der Differenzierung der heute lebenden Säugetiere bildeten.“

Zeitgleich existierten also neben den als Vorläufer der Säugetiere eingestuften Morganucodonten und Docodonten Säugetiere mit charakteristischen Säuger-Schlüsselmerkmalen. Auf Grundlage des Fossilbefundes müsse die Entstehung der Säugetiere, so die Autoren weiter, um mindestens 45 Millionen Jahre gegenüber den bisherigen Anschauungen vordatiert werden. Hadrocodium stehe damit den potentiellen Urahnen moderner Säuger sehr nahe, aus denen sich die Monotremata und Theria (Plazenta- und Beuteltiere) schrittweise herausgebildet hätten.

Abb. 8: Gobiconodon ostromi (Wikimedia Commons)

Repenomamus und Gobiconodon (2001). Ebenfalls im Jahr 2001 publizieren Wang et al. über Funde früher Säugetiere aus der unteren Kreide (auf ca. 130 bzw. 110 Millionen Jahre datiert, Yixian-Formation in Liaoning, China), welche bereits eine Revision einiger von Luo et al. (2001) geäußerten Vorstellungen erforderten. Bei Repenomamus (vier komplette Schädel mit anhängenden Unterkiefer) und Gobiconodon (unbenannte Art, ein Schädel mit anhängendem Unterkiefer) handelt es sich um Vertreter einer Säugetierfamilie (Gobiconodontidae), die den Eutriconodonten zugeordnet werden und seit 1978 bekannt sind (vgl. Abb. 8). Bei beiden Individuen fand sich ein verknöcherter Meckelknorpel bzw. die Rinne, welche die Kontaktfläche des verknöcherten Meckelknorpels mit dem Unterkieferast markiert, und eine Mandibulargrube. Gehörknöchelchen fanden sich nicht, aber deren Vorliegen wird aufgrund von Merkmalen der Schädelbasis als sicher angenommen.

Diese Befundkonstellation dokumentiert einerseits ein aus phylogenetischer Sicht früheres evolutionäres Entwicklungsstadium der Mittelohrregion, obwohl andererseits Repenomamus und Gobiconodon deutlich später im Fossilbericht im Vergleich zu Hadrocodium erscheinen. Wang et al. blieben dennoch der Meinung, dass das Mittelohr bei den Säugetieren einmalig und schrittweise entstanden sei. Hadrocodium repräsentiere, so ihre Interpretation, offenbar kein erwachsenes Tier, sondern ein sehr junges, bei dem die Anlage der Mandibulargrube noch nicht ausgebildet war. Die Konsequenzen einer deutlich früheren Entstehung der modernen Säugetiere, welche Luo aus dem Fehlen der Mandibulargrube zog, lehnten sie deshalb ab. Repenomamus und Gobiconodon besaßen, so vermuten die Autoren weiter, ausgebildete Mittelohrknochen, die keine Verbindung zum Unterkiefer (trotz des Vorliegens eines verknöcherten Meckelknorpels) besaßen. Die Loslösung der Mittelohrknochen sei offenbar bei einem gemeinsamen Vorfahren von Hadrocodium, Repenomamus und Gobiconodon im frühen Jura erfolgt. (Im Gegensatz zu späteren Autoren bezeichnen Wang et al. die bei Repenomamus und Gobiconodon vorliegende „primitivere“ Befundkonstellation als DMME.)

Die Autoren diskutieren auch das relativ kleine Schädelvolumen von Repenomamus, was für sie gegen die von Luo vermutete These sprach, dass die Zunahme des Gehirnvolumens als Ursache der Ablösung der Mittelohrknochen vom Meckelknorpel anzusehen sei.

Teinolophos (2005) – Ursprüngliches Kloakentier ohne DMME? Im Jahr 2005 berichteten Rich et al. (2005a) über einen neuen Fund der Gattung Teinolophos (untere Kreide, auf ca. 115 Millionen Jahre datiert) aus der Säuger-Untergruppe der Kloakentiere, der einen Beweis für die mindestens zweimalige unabhängige Entstehung des säugetiertypischen Mittelohres zu erbringen schien (vgl. Abb. 5). Teinolophos zählt, so die Autoren, zu den basalen Vorläuferformen der Kloakentiere. Es fanden sich (wenn auch nur indirekt) Hinweise darauf, dass bei dieser Gattung die Mittelohrknochen noch über den verknöcherten Meckelknorpel mit dem Unterkiefer verwachsen waren. Eine entsprechende Furche („meckelian groove“) an der Innenseite des Unterkiefers wurde als Ansatzfläche (Facette) für den Meckelknorpel und somit als ein sicherer Beleg für dessen Verwachsung mit dem Unterkiefer gewertet. Zusätzlich wiesen die Autoren auf die Mandibulargrube („mandibular trough“) an der Innenseite des aufsteigenden Unterkieferastes hin, in der die so genannten postdentalen Knochen oder Mittelohrknochen (Hammer und Amboss, Ectotympanon) topographisch eingebettet waren. Das schienen eindeutige Hinweise darauf zu sein, dass ein DMME noch nicht ausgebildet war.

Die stammesgeschichtliche Position von Teinolophos an der Basis der Kloakentiere ließ auf dieser Datenbasis nur den Schluss zu, dass das DMME bei den Kloakentieren unabhängig von den beiden anderen Säuger-Untergruppen (Plazentatiere und Beuteltiere) entstanden sein muss. Denn in den gleichen oder jüngeren Fundhorizonten waren bereits Säugetiere mit einem DMME nachgewiesen worden. Martin & Luo (2005) deuteten die damalige Fundsituation sogar so, dass eine dreimalige unabhängige Entstehung des DMME angenommen werden müsse. Kritik an dieser Deutung (Bever et al. 2005, Rougier et al. 2005) wurde von Rich et al. (2005b) entkräftet.

Drei Jahre danach konnten andere Kritiker, Rowe et al. (2008), mit vergleichenden computertomographischen Untersuchungen jedoch keine Hinweise auf die Existenz eines mit dem Unterkiefer verbundenen Meckelknorpels sowie von postdentalen Knochen in der Mandibulargrube bei Teinolophos finden, was es nun wahrscheinlich machte, dass Teinolophos doch bereits ein definitives Säugetier-Mittelohr besaß. Damit scheint Teinolophos nach dem gegenwärtigen Wissensstand als Kronzeuge für die Konvergenz dieses Schlüsselmerkmals auszuscheiden. Diese Deutung gilt jedoch nur in Bezug auf den fehlenden Nachweis der verknöcherten Verbindung des Meckelknorpels. Die Mandibulargrube als „altes Merkmal“ an der Innenseite des aufsteigenden Unterkieferastes ist demgegenüber eine unverstandene intermediäre Ausprägung.

Abb. 9: Yanoconodon (Aus Luo et al. 2007, © Nature 446, Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Yanoconodon (2007). Im Jahr 2007 veröffentlichten Luo et al. Untersuchungen über das Fossil Yanoconodon (untere Kreide, auf ca. 125 Millionen Jahre datiert) aus der Gruppe der Eutriconodonten, einer Untergruppe ursprünglicher Säugetiere, die aber zu den Kronensäugetieren* gestellt werden (vgl. Abb. 2). Anders als bei den bisher bekannten Kronensäugetieren zeigte Yanoconodon (Abb. 9) eine Verknöcherung des Meckelknorpels, welcher den Unterkiefer mit dem Hammer (Malleus) verbindet. Das heißt: Die Kronensäugetiere besitzen normalerweise das DMME, nicht aber Yanoconodon. Die Konstellation bei Yanoconodon ähnelt dem embryonalen Stadium bei heutigen Kloakentieren und Plazentatieren und wird deshalb von den Autoren als Pädomorphose* interpretiert; das heißt: Die Verbindung des verknöcherten Meckelknorpels mit dem Unterkieferknochen wird als ein evolutionär bedingtes Beibehalten (Stehenbleiben) eines embryonalen Stadiums des stammesgeschichtlichen Vorfahren im Erwachsenenzustand der stammesgeschichtlichen Nachkommen interpretiert. Das würde im Fall von Yanoconodon bedeuten, dass eine Reversion (Rückentwicklung) vom typischen Säuger-Mittelohr zu einem ursprünglicheren Zustand erfolgt wäre.

Angesichts der Tatsache, dass die Konstellation der drei freien Gehörknöchelchen für das Hören als besonders effektiv gilt, ist diese Rückentwicklung funktionell jedoch unverständlich. Dafür notwendige Selektionsbedingungen sind nicht erkennbar. Eine Alternative zur Rückentwicklung wäre die Vorstellung, dass das definitive Säuger-Mittelohr (DMME) mehrfach unabhängig entstanden ist, womit erneut die Konvergenz dieses Schlüsselmerkmals angenommen werden müsste (Luo et al. 2007). Die Kenntnis aus den bislang vorliegenden Fossilien über die Verteilung der unterschiedlichen Ausprägungen von Mittelohren und ihrer benachbarten Strukturen innerhalb der jeweiligen Säugetiergruppen erfordert evolutionstheoretisch die Annahme einer mehrfachen Homoplasie des DMME. Die Therier (Säugetiere und Beuteltiere) besitzen das DMME, die „primitiveren“ Eutriconodonten nicht, die im Stammbaum der Säugetiere noch früher platzierten Kloakentiere wiederum haben es, ihre mutmaßlichen verwandten Vorfahren hingegen wahrscheinlich nicht (vgl. Abb. 7 nach Luo et al. [2007]). 

Maotherium (2009). Ji et al. (2009) beschreiben das Säugetier Maotherium asiaticus, einen Trechnotherier (eine Untergruppe der mesozoischen Säugetiere) aus der Unterkreide (auf ca. 123 Millionen Jahre datiert). Wie Yanoconodon gehört auch Maotherium zur Kronengruppe der Säugetiere. Maotherium wird als weniger primitiv im Vergleich zu Yanoconodon eingestuft (Martin & Ruf 2009), hat aber dennoch kein definitives Säuger-Mittelohr (DMME). Martin & Ruf gehen davon aus, dass der letzte gemeinsame Vorfahre der Kronengruppe der Säugetiere das definitive Säuger-Mittelohr besaß und folgern, dass es mehrfache Rückentwicklungen zum ursprünglichen Zustand mit einer Verknöcherung des Meckelknorpels gegeben haben muss. Sie nehmen damit den o. g. Prozess der Pädomorphose als Ursache der evolutionären Veränderung an und schreiben weiter: „Offenbar evolvierte das DMME unabhängig in den Kronensäugetieren, die klar oberhalb der Aufspaltung der Kloakentiere im Säugerstammbaum positioniert sind. Obwohl Maotherium ein Kronensäugetier ist, fehlt dieser Gattung (wie der nahe verwandten Gattung Zhangheotherium) dieses abgeleitete Schlüsselmerkmal.“ Als Erklärung für dieses „offensichtliche Paradoxon“ vermuten die Autoren eine Rückentwicklung zu einem primitiveren Zustand des Mittelohres, welcher durch Maotherium repräsentiert wird. Durch eine Pädomorphose soll es während der Embryonalentwicklung zu Verschiebungen von Entwicklungszyklen gekommen sein, hier zur Beibehaltung und Verknöcherung des Meckelknorpels (und nicht zu dessen Abbau). „In den abgeleiteten [„höherentwickelten“] Spalacotheroiden (Verwandten von Maotherium), evolvierte das DMME später erneut, unabhängig vom DMME anderer Kronensäuger.“ Das würde also heißen, dass ein evolutionärer Zickzackkurs gefahren wurde: Zunächst entstand ein DMME, dieses wird bei Maotherium wieder zurückgebildet (Pädomorphose), um dann wieder neu bei dessen Nachkommen zu entstehen.

Ji et al. (2009) präsentieren in ihrer Diskussion über Maotherium schließlich zwei mögliche evolutionäre Szenerien:

1. Das DMME war im gemeinsamen Vorfahren der Säugetiere ausgebildet und die Eutriconodonten (wie Repenomamus, s. o.) und Spalacotheroiden (wie Maotherium) reevolvierten die Verbindung von Mittelohr zum Unterkiefer.

2. Das DMME war im gemeinsamen Vorfahren nicht ausgebildet; diese anzestrale Konstellation blieb bei den Eutriconodonten und Spalacotheroiden erhalten, und das DMME evolvierte mehrfach unabhängig bei heutigen Kloakentieren, bei den Multituberculaten und in den Theriern (Beuteltiere und Säugetiere).

Beide Szenarien sind extrem hypothetisch und unplausibel: Wie bereits angemerkt bleibt eine Rückentwicklung (Pädomorphose) aus dem Blickwinkel der Selektion unverständlich. Auch die mehrfach unabhängige Entstehung der hochkomplexen anatomischen Struktur des DMME ist in einem Naturprozess höchst unwahrscheinlich, da neben den fehlenden richtunggebenden Selektionsfaktoren keine Mechanismen auf molekulargenetischer Ebene plausibel gemacht werden können.

Abb. 10: Liaoconodon (aus Meng et al. 2011, © Nature 472, Abdruck mit freundlicher Genehmigung)

Liaoconodon(2011). In auf 120 Millionen Jahren alt datierten See-Sedimenten der Jiufotang Formation von Liaoning in China entdeckten Meng et al. (2011) ein fast komplettes, hervorragend erhaltenes Fossil eines Eutriconodonten (Abb. 10). Bei Liaoconodon zeigt sich die Besonderheit, dass der hintere Anteil des Meckelknorpels vom vorderen separiert vorliegt. Dieser hintere Anteil bildet einen Teil des Hammers (Corpus mallei) und eine Begleitstruktur des Epitympanons (knöcherner Ring, welcher das Trommelfell aufspannt). Der vordere Abschnitt des Meckelknorpels ist knöchern durchbaut, zeigt aber keine Verbindung mehr zu den MOK (vgl. Abb. 5) wie z. B. bei Repenomamus und Gobiconodon.

Bei Liaoconodon ist nach Meng et al. damit zum ersten Mal bei einem ausgewachsenen Tier die Verbindung des verknöcherten Meckelknorpels mit den Knochen des Mittelohres zu sehen. Diese anatomische Konstellation bezeichnen die Autoren als „transitional mammalian middle ear“ (TMME).

„Wir definieren das Übergangsmittelohr der Säugetiere (TMME) als ein separates Stadium in der Evolution des Mittelohres der Säugetiere, ...“ (Meng et al. 2011, 181).

Welche Funktion könnte der mit den MOK verbundene verknöcherte Meckelknorpel in den ausgewachsenen Tieren übernommen haben? Meng et al. vermuten, dass das Trommelfell durch den verknöcherten Meckelknorpel zusätzlich stabilisiert wurde, da lediglich 90° des Trommelfells vom Ectotympanon umfasst wurden. Diese funktionelle Deutung des verknöcherten Meckelknorpels eröffnet, so die Autoren weiter, eine nun besser begründete Sicht hinsichtlich der Mehrfachentstehung des Mittelohres bei Säugetieren. Die zwei möglichen evolutionären Szenarien (vgl. Ji et al. 2009) werden von den Autoren erneut diskutiert. Möglichkeit eins ist: Ein voll entwickeltes Mittelohr (DMME) evolvierte nur einmal beim gemeinsamen Vorfahren aller Säugetiere. Die Eutriconodonten (wie Repenomamus und Yanoconodon) und Spalacotheroiden (wie Maotherium) repräsentieren deshalb evolutionäre Rückentwicklungen. Die zweite Variante wird von Meng et al. favorisiert. Die gemeinsamen Vorfahren der Säuger wiesen im ausgewachsenen Stadium den Meckelknorpel und einen primitiven Mittelohrbauplan auf. Das DMME, also das voll entwickelte Mittelohr ohne Beibehaltung des Meckelknorpels, entstand später unabhängig in den drei Linien der heutigen Säugetiere über ein funktionell plausibles Zwischenstadium (TMME) wie bei Liaoconodon. In diesem Szenario, so Meng et al., dokumentieren die Eutriconodonten ein Übergangsmittelohr auf dem Weg zu dem der modernen Säuger ganz im Sinne der Reichert-Gauppschen Theorie, unabhängig davon, wie häufig das DMME entstanden ist.

Juramaia sinensis (2011). Wieder ist es die Forschergruppe um Luo et al. (2011), die mit einem besonderen Fund Aufsehen erregt. Aus Schichten des Jura, die auf 160 Millionen Jahre datiert werden, wurde Juramaia sinensis geborgen, das als erster Vertreter der fossil überlieferten modernen Säugetiere gilt. Das Auftreten der Plazentatiere und die Abspaltung der Beuteltiere muss damit um 35 Millionen Jahre vorverlegt werden. Diese Zeitangabe entspricht eher den Erwartungen, die auf der Grundlage einiger molekularer Stammbäume formuliert wurden (s. o.). Obwohl in der Beschreibung des Fossils Juramaia sinensis nichts über das Mittelohr ausgesagt wird, hat dieser Fund weitreichende Konsequenzen für die in diesem Beitrag dargestellten Hypothesen zur Evolution des Mittelohres bei Säugetieren. Wenn es sich bei Juramaia sinensis um einen Vertreter der Eutheria handelt, ist davon auszugehen, dass bei diesem das DMME komplett ausgebildet vorliegt. Die Anatomie seines Unterkiefers und seiner Zahnformel lassen an dieser Interpretation keinen Zweifel. Damit existieren indirekte Belege für die Existenz des DMME in ca. 60-70 Millionen Jahre älter datierten Schichten (bei Hadrocodium) und in ca. 30-40 Millionen Jahre (Juramaia) älter datierten Schichten im Vergleich zu den als Übergangsformen interpretierten Formen des MME (z. B. bei Repenomamus und Gobiconodon) oder des TMME (Liaoconodon). Die Befundkonstellation spricht eindeutig gegen die Erwartungen klassischer phylogenetischer Modellierungen und macht wie in anderen Fällen das Postulat der Existenz sogenannter „Ghost-Lineages“ (unbekannte evolutionäre Vorläuferformen in noch älteren geologischen Horizonten) erforderlich.

5. Ontogenese rekapituliert auch nicht auszugsweise die Phylogenese
Die Embryonalentwicklung der Mittelohrstrukturen bei Säugetieren ist keine einfache Rekapitulation der Stammesgeschichte. Entwicklungsbiologische Untersuchungen deckten die unterschiedlichen mesenchymalen* Quellen der MOK aus Anteilen des ersten und zweiten Pharyngealbogens auf.

Damit fehlt der Reichert-Gauppschen Theorie die empirische Basis. Es findet auch keine Wiederholung von Diarthrognathus-analogen Verhältnissen (doppeltes Kiefergelenk) während der Embryonalentwicklung statt. Bei diesem potentiellen Vorfahren waren die zwei Kiefergelenke seitlich nebeneinander arrangiert, demgegenüber erscheinen sie (das Gelenk zwischen Hammer und Amboss sowie zwischen Dentale und Squamosum) bei Säugern immer hintereinander.

Ein weiteres Beispiel: Das Angulare bei den Beuteltieren zeigt embryonal eine auffallende Ähnlichkeit zum Angulare der Cynodonten, bevor es seine Form als Ectotympanon übernimmt. Neugeborene Beuteltiere nutzen das „primäre“ Gelenk (zwischen Hammer und Amboss) noch zum Saugen, da das Squamoso-Dental-Gelenk noch zu wenig entwickelt ist (Crompton & Parker 1978; Maier 1987a). Sie zeigen in diesem Sinn eine reptilienähnliche Konstellation.

Bei allen Beispielen ist es nicht möglich zu entscheiden, welche ontogenetische Befundkonstellation die „richtige“ Rekapitulation früherer Zustände darstellt und welche eine sekundäre Anpassung ist (Takechi & Kuratani 2010, zur Problematik der Homologisierung ontogenetischer Stadien mit fertig ausgebildeten Merkmalen fossiler Tiere siehe auch Ullrich 2005).

6. Woher kommt das Trommelfell?
Eine Homologisierung des Trommelfells der Reptilien mit dem der Säuger erscheint naheliegend (so Otto 1984) wird aber (u. a. aufgrund der Dominanz der Reichert-Gauppschen Theorie) abgelehnt, weil dies gleichzeitig eine Homologie der Mittelohrknochen beider Tierklassen erfordert.

Kontrovers und öffentlich kaum wahrgenommen gestalten sich jedoch die alternativen Diskussionen zur Herkunft bzw. zur Lage des Trommelfells (Tympanon) bei den Synapsiden, die als Vorläufer der Säugetiere gelten. Meng et al. (2011) konstatieren, dass eine Klärung bisher nicht gelungen ist.

„Heute besteht ... Konsens darüber, dass die Mittelohren der Säuger und der Amnioten, die nicht zu den Säugern gehören, sich
nach der Abspaltung von einem gemeinsamen Vorfahren unabhängig voneinander entwickelten.“

Vier Hypothesen stehen nach Meng et al. zur Wahl. Das Trommelfell der Synapsiden befand sich entweder in einer Region hinter dem Os quadratum oder in einer Region hinter dem Os dentale. Die dritte Variante vermutet die Existenz von zwei separaten Membranen an den genannten Orten und die vierte schließlich eine einheitliche große Membran, die beide Lokalitäten erfasst. Liaoconodon (Abb. 10) unterstützt die vierte Hypothese.

7. Vollständig unabhängige Entstehung des Mittelohres der Reptilien und Säugetiere
Unter Berücksichtigung vergleichender Studien zur Schädelanatomie bei Säugern und Nichtsäugern, insbesondere der Kiefergelenke, des Trommelfells und der knöchernen Begrenzungen des Mittelohres und seiner Anbindung an den Schädel kommen unterschiedliche Forscher zu dem überraschenden Ergebnis, dass sich das Mittelohr der Mammalia und das der Nonmammalia völlig unabhängig voneinander evolutionär herausgebildet haben müsse (siehe Kastentext „Zwei Formen der Anbindung des Schädels an den Unterkiefer“). Auch der Fossilbefund spricht gegen eine Ableitung von Elementen des Mittelohres der Säugetiere aus dem der Reptilien (z. B. Steigbügel), wie über viele Jahre auf der Grundlage z. B. von Westolls Arbeiten (1943-1945) angenommen wurde (Lombard & Bolt 1979; Laurin 1998; Clack 2002a, b; Müller & Tsuji 2007). Dafür rücken nun primitive Gnathostomata (Kiefermäuler) wie die Elasmobranchier (z. B. Haifische) als Vorfahren für beide als unabhängig zu betrachtende Mittelohrlinien in das Zentrum der Hypothesenbildung.

„Heute besteht also Konsens darüber, dass die Mittelohren der Säuger und der Amnioten, die nicht zu den Säugern gehören, sich nach der Abspaltung von einem gemeinsamen Vorfahren unabhängig voneinander entwickelten“ (Takechi & Kuratani 2010, 426).

Abb. 11: Bei der hyostylischen Aufhängung des Unterkiefers (li.) werden die Entwicklungsprodukte des Mandibularbogens über Derivate des Hyoidbogens an der Schädelbasis fixiert (typisch für Knorpelfische wie Haie). Bei der autostylischen Aufhängung des Unterkiefers (re.) sind die Entwicklungsprodukte des Mandibularbogens direkt an der Schädelbasis fixiert (typisch für Lungenfische und Reptilien). Die Mittelohrkonfiguration der Säuger entspricht in ihrem ontogenetischen und adulten Zustand einer hyostylischen Aufhängung (vgl. Takechi & Kuratani 2010). Dies ist die Grundlage für die Vermutung, dass sich die Mittelohrregion der Reptilien und der Säuger völlig unabhängig voneinander und nicht auseinander bzw. nacheinander entwickelt haben.

Die Kopplung der Schädelbasis mit dem Unterkiefer erfolgt bei den meisten Nichtsäugern im primären Kiefergelenk über Artikulare und Quadratum. Das Quadratum ist dabei fixiert am Schädel und repräsentiert die sogenannte autostylische Kieferaufhängung. Vom Kiefergelenk unabhängig ist das Hyomandibulare, welches aus dorsalen Anteilen des zweiten Pharyngealbogens hervorgeht und bei den primitiven Vierbeinern (Tetrapoden) für die Hörfunktion (Columella) verwendet wird. Das sogenannte primäre Kiefergelenk bei Säugern zwischen Hammer (homolog zum Artikulare) und Amboss (homolog zum Quadratum) zeigt aber keine direkte Verbindung zur Schädelbasis. Hier erfolgt die Kopplung über den Steigbügel (Stapes homolog zu Columella/Hyomandibulare), weshalb man hier von einer hyostylischen Kieferaufhängung spricht (vgl. Abb. 11). Diese hyostylische Kieferaufhängung ist typisch für die Vorfahren der Reptilien und Säuger und findet sich bei primitiven Gnathostomata und Elasmobranchiern (Knorpelfische; Huxley 1876, Goodrich 1930).

Bei Säugern hat also das Mittelohr die ursprünglich primitive hyostylische Verbindung behalten, wie sie aktuell auch bei Haien studiert werden kann. Aus evolutionärer Perspektive wird nun entgegen Westolls Hypothese vermutet, dass der hyostylische Skelettkomplex von seiner ursprünglichen Aufgabe als Verankerung des Kiefers befreit wurde. Diese Loslösung wurde offensichtlich gefördert durch die Etablierung des sekundären Kiefergelenkes zwischen Squamosum und Dentale (Takechi & Kuratani 2010).

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Ausblick

Um die dargestellten vielschichtigen Probleme innerhalb des evolutionären Forschungsprogramms zu lösen, konzentrieren sich Evolutionsbiologen zunehmend auf vergleichende ontogenetische Studien der Pharyngealbogen bei Wirbeltieren und der Analyse der ihnen unterliegenden Entwicklungsprogramme auf molekular-genetischer Ebene. Auf dieser Basis sollen vergleichbare, phylogenetisch repräsentative ontogenetische Stadien definiert werden. Takechi & Kuratani (2010) halten es für wahrscheinlich, dass die Vorfahren der Säuger Abwandlungen in Hai-ähnlichen Entwicklungsprogrammen der hyostylischen Kieferaufhängung (siehe Kastentext „Zwei Formen der Anbindung des Schädels an den Unterkiefer“) durchliefen. Daraus resultierte die Verlagerung (Shift) von frei werdenden Skelettelementen und die Entwicklung eines schallübertragenden Apparates aus dem ersten und zweiten Pharyngealbogen, entgegen der weithin dominierenden Reichert-Gauppschen Theorie. Anders die Situation bei den Nichtsäugern. Im Gegensatz und getrennt von den Säugetieren evolvierten die Vorfahren der Nichtsäuger (nonmammalian amniotes) konvergent ihr Mittelohr als Resultat von Änderungen eines anderen Sets der ursprünglichen Hai-ähnlichen Entwicklungsprogramme. Diese wirkten auf andere Skelettelemente und ermöglichten so die Bildung des reptilientypischen Kiefers und Mittelohres.

Experimentelle und vergleichende ontogenetische Studien auf morphologischer und molekular-genetischer Ebene haben in den letzten zwei Jahrzehnten ebenfalls eine Fülle an Detailkenntnissen über die Natur der embryonalen Mittelohrentwicklung zu Tage gefördert. Ob dieses Wissen dazu beiträgt, die zuletzt genannten Hypothesen und die aufgelisteten vielen offenen Fragestellungen ihrer Evolution tatsächlich zu klären, soll in einem Folgebeitrag diskutiert werden.

Unter Berufung auf die klassische Reichert-Gauppsche Theorie ist ein Verständnis der evolutionären Mittelohrentwicklung der Säugetiere gerade unter Berücksichtigung der aktuellen fossilen, vergleichend- anatomischen und ontogenetischen Befundlage nicht mehr möglich.

Dank. Für die geduldige Unterstützung bei der Abfassung des Textes möchte ich mich bei Reinhard Junker bedanken. Ebenso herzlichen Dank an Frank Meyer für die Erstellung der Abbildungen.

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Studium Integrale Journal 19. Jg. Heft 1 - Mai 2012